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Mit anderen Augen sehen

Eine richtig gelungene Kinderbibelwoche war das: Zum Thema Schöpfung hatten alle Gruppen kleine Theaterstücke erarbeitet und damit aus dem Sonntagsgottesdienst eine farbenfrohe, äußerst lebendige Veranstaltung gemacht. Gemeindeglieder und Eltern waren begeistert. „Nur schade“, sagte eine Mitarbeiterin am Ende, „dass Yussuf beim Gottesdienst nicht dabei war. Er hatte sich so Mühe gegeben bei der Vorbereitung.“

Yussuf stammt aus einer moslemischen Familie. Trotzdem geht er in den evangelischen Kindergarten und durfte von dort aus auch mit zur Kinderbibelwoche. Nur den Gottesdienstbesuch – den wollten seine Eltern nicht erlauben, obwohl er die Krönung aller Mühe sein sollte.

Merkwürdig? Engstirnig? Nein, sondern verständlich – wenn man bereit ist, den Blickwinkel zu wechseln. Wer als christliche Familie in einem islamisch geprägten Land lebt, möchte seine Kinder ja auch integriert sehen und sie vielleicht an islamischen Bräuchen und Festen teilnehmen lassen. Aber einen Moschee-Gottesdienst besuchen und dort zu Allah beten? Das wäre für die allermeisten dann doch ein allzu großer Sprung über den eigenen Schatten.
Es ist mit der Integration wie mit so vielen Dingen im Leben: Wer auf das sieht, was (schon) möglich ist, statt auf das, was (noch) nicht geht, entdeckt viele Gründe zur Hoffnung. Der kleine Yussuf durfte sich drei Tage lang mit biblischen Geschichten beschäftigen, christliche Lieder singen und eine Kirche von innen kennenlernen. Umgekehrt hat er den anderen Kindern vielleicht von seinem Glauben erzählt. So geht Erziehung zur religiösen Toleranz. Und die brauchen wir dringend für eine friedliche Zukunft.