Die Millionenerbin und Aktivistin Marlene Engelhorn hat eine radikale Umverteilung von Reichtum in der Gesellschaft gefordert. Der „Überreichtum“ mächtiger Milliardäre und Millionäre bedrohe Demokratie und soziale Gerechtigkeit, sagte die 33-jährige Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Speyer. Die Menschen müssten etwa in „Bürgerräten“ mitbestimmen können, wie hohe Privatvermögen für das Allgemeinwohl eingesetzt werden können. Dabei müssten auch Enteignungen bei Angelegenheiten des öffentlichen Interesses möglich sein.
Die in Wien geborene Deutsch-Österreicherin ist Mitgründerin der Initiative „taxmenow“ („Besteuert mich jetzt“). In ihr setzen sich rund 30 Schwerreiche aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für ein gerechteres Steuersystem, den Abbau sozialer Ungleichheit und die Stärkung der Demokratie ein.
Hauptverantwortlich für die zunehmende Armut und soziale Ungleichheit in Deutschland und weltweit sei eine wachsende Klasse von „Überreichen“, kritisierte Engelhorn. Der durch Unterdrückung und Ausbeutung erworbene Reichtum sei skandalös. Die Aktivistin forderte, energisch gegen die „feudale Macht“ einer Lobbygruppe hoch Vermögender vorzugehen. Rund 300 Milliardäre und Millionäre lenkten mit ihrem großen Einfluss die politischen und wirtschaftlichen Geschicke des Landes.
„Teilen ist besser als haben, das ist das demokratische Grundprinzip“, sagte Engelhorn. Doch extrem Reiche entzögen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung durch Steuervermeidung und Steuerflucht. Dringend nötig seien deshalb eine höhere Erbschaftssteuer sowie die Wiedereinführung der ausgesetzten Vermögenssteuer. Zusätzliche Mittel könnten etwa in die Infrastruktur oder den Klimaschutz investiert werden. Der Bundesregierung fehle für Entscheidungen allerdings der „politische Wille“, bemängelte Engelhorn. Unter den ungerechten Machtverhältnissen litten vor allem alleinerziehende Frauen und Migrantinnen und Migranten.
Ihr persönliches Ziel sei, die intransparente „Parallelwelt der Überreichen“ offenzulegen, sagte Engelhorn. Engelhorn gab einen Großteil des von ihrer Großmutter geerbten Geldes – 25 Millionen Euro – mit Hilfe eines Bürgerrats an die österreichische Gesellschaft zurück. In einem demokratischen Entscheidungsprozess würden die Gelder an Organisationen „rückverteilt“, etwa an den Naturschutzbund, Frauenhäuser oder eine Suppenküche der Caritas für Obdachlose, sagte die Millionenerbin.
Engelhorn bezweifelte, dass sich die christlichen Kirchen ernsthaft gegen Armut und für mehr Verteilungsgerechtigkeit einsetzten. Diese seien vielmehr autoritäre „Komplizen“ im Machtsystem der Reichen. „Die Kirche könnte viel machen, sie tut es aber nicht“, sagte sie.
Am Montag, 27. Oktober, wirkt die Publizistin mit dem Theaterstück „Geld ist Klasse“ bei der Eröffnung der „Kirchheimbolander Friedenstage“ im nordpfälzischen Kirchheimbolanden mit. Zentrales Thema der bis Anfang Dezember dauernden Veranstaltungsreihe ist der Vertrauensverlust in demokratische Strukturen, dabei geht es auch um Steuergerechtigkeit und Finanzkriminalität.