Die Migrationsforscherin Birgit Glorius sieht die von der neuen Bundesregierung angekündigte Abschaffung der sogenannten Turbo-Einbürgerung nach drei Jahren und die Aussetzung des Familiennachzugs kritisch. Sie halte solche Maßnahmen eher für „Symbolpolitik als einen Weg, um Probleme zu lösen“, sagte die Wissenschaftlerin von der TU Chemnitz am Mittwoch im „Morgenecho“ auf WDR5. Dabei gehe es vor allem um „Signale nach innen“ an die Bevölkerung, um Unsicherheitsgefühle abzubauen.
Die Idee hinter der vor knapp einem Jahr eingeführten Ermessenseinbürgerung unter strengen Bedingungen nach drei statt fünf Jahren sei gewesen, die deutsche Staatsbürgerschaft etwa für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiver zu machen und besonders schnelle Integrationsleistungen zu honorieren, erläuterte Glorius. In der Praxis sei das jedoch gar nicht so einfach, eine schnelle Einbürgerung hinzubekommen. „Ich frage mich, ob überhaupt jemand es geschafft hat, seit dieses Gesetz in Kraft ist“, sagte die Migrationsforscherin. „In manchen Städten wartet man zwei Jahre, um einen Termin zu bekommen, um seine Unterlagen einzureichen.“
Auch die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus hat nach Einschätzung von Glorius eher Symbolcharakter. Angesichts der Kontingentierung auf 12.000 Personen pro Jahr gehe es nicht um große Zahlen. „Viele Geflüchtete mit subsidiärem Schutzstatus müssen eh schon jahrelang warten, bis Kinder und Ehepartner nachziehen können“, sagte die Wissenschaftlerin, die auch dem Sachverständigenrat für Integration und Migration sowie dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge angehört.
Um Integrationswege zu verbessern und bestehende Probleme abzubauen, sei es viel wichtiger, die Rahmenbedingungen vor Ort zu verbessern, betonte die Migrationsforscherin. Wenn beispielsweise wegen Familiennachzug größere Wohnungen benötigt würden, müssten Kommunen dazu die Möglichkeit haben. Zudem habe es in den vergangenen Jahren sehr viele Neuregelungen gegeben, die oft schwierig vor Ort umzusetzen seien, etwa weil Anwendungshinweise fehlten. „Da nachzubessern wäre sinnvoller und wichtiger“, erklärte sie.