Machen Sozialleistungen faul? Dieser Ansicht ist rund die Hälfte der Erwerbstätigen, wie eine neue Studie zeigt. Darunter besonders viele Geringverdiener. Welche Schlüsse die Forscher daraus ziehen.
Knapp zwei Drittel der Geringverdiener in Deutschland denken, dass Sozialleistungen Menschen faul machen. Das geht aus einer Mitteilung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg vom Donnerstag hervor. Sie stimmten demnach in einer Befragung dieser Aussage zu und sind auch der Ansicht, dass staatliche Unterstützung dazu führt, dass Menschen sich in die “soziale Hängematte” legen. Als Geringverdiener gelten den Angaben zufolge Personen im unteren Viertel der Einkommensverteilung.
Auch unter den Erwerbstätigen, die neben ihrem Einkommen noch Sozialleistungen erhielten, stimmten 50 Prozent der Befragten diesen Aussagen zu, heißt es weiter. “Gerade wer trotz Arbeit nur wenig verdient, erlebt das Spannungsfeld zwischen Arbeit und Absicherung besonders deutlich. Und bei diesen Menschen ist in unseren Daten auch das Bedürfnis nach Leistungsgerechtigkeit besonders hoch”, sagte Forscher Jens Stegmaier. Auch in der Gesamtbevölkerung stimme etwa die Hälfte der Personen diesen Aussagen zu.
Insgesamt seien etwa drei Viertel der Bevölkerung in Deutschland der Ansicht, dass diejenigen, die mehr leisten, auch mehr bekommen sollten, so die Mitteilung. Auch Menschen, die Arbeitslosen- oder Bürgergeld bezögen, befürworteten dies mehrheitlich. Zugleich erachteten sie die Bedarfsorientierung als wichtiges Merkmal einer gerechten Gesellschaft. “Die Ergebnisse legen nahe, dass Reformen dann Zustimmung finden, wenn sie den Sozialstaat sichern und Leistung belohnt wird – gerade bei Menschen mit niedrigen Einkommen scheint es am letzten Punkt heute Zweifel zu geben”, sagte Forscher Jonas Weik.
Mehr als sieben von zehn Befragten seien der Ansicht, dass Sozialleistungen ihren Zweck erfüllten. Den Angaben zufolge glauben aber 64 Prozent, dass sie eine zu hohe Belastung für Gesellschaft und Unternehmen sind. “Für die meisten Befragten ist der Sozialstaat wie Sport – anstrengend, aber notwendig, um die Gesellschaft fit und stabil zu halten”, folgerte Moritz Kuhn von der Universität Mannheim. 40 Prozent der Befragten sähen eine Ausgewogenheit zwischen Nutzen und Kosten der Leistungen. Rund ein Viertel der Befragten glaube, dass der Sozialstaat nicht viel nütze.
Die Ergebnisse basieren den Angaben zufolge auf der Online-Befragung “Arbeiten und Leben in Deutschland”. Ausgewertet wurden dafür mehr als 5.000 Antworten erwerbstätiger Personen in Voll- und Teilzeit sowie von Personen, die Leistungen beziehen. Die Befragten waren zwischen 18 und 65 Jahren alt.