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Mehr Leben – ist das möglich?

Die Bibel sagt: Niemand kann seinem Leben auch nur einen einzigen Augenblick hinzufügen. Das ist wahr. Aber sie sagt auch, wie man trotzdem mehr vom Leben haben kann

Ein Blick aus dem Fenster. Und die Sehnsucht klopft an. Es ist grau, kalt und nass – da drängt sich fast unweigerlich der Gedanke auf: Hoffentlich wird es ganz schnell wieder Frühling.

Dieses Empfinden ist verständlich. Aber: Man steht damit in der Gefahr, einen Großteil seines Lebens zu vergeuden.

Denn die Lebenszeit ist begrenzt. Keine Stunde, keine Minute, die verstreicht, kommt zurück. Fragt man Menschen am Ende ihres Lebens, was sie am meisten bedauern, gehört das zu den häufigsten Antworten: Ich habe zu viel Zeit achtlos verstreichen lassen.

Niemand kann seinem Leben einen einzigen Augenblick hinzufügen. Umso wichtiger ist es, die Zeit, die man hat, zu nutzen. Sie nicht achtlos liegen zu lassen. Sondern jeden Augenblick bewusst zu erleben.

Eine Freundin hat kürzlich von ihren Erfahrungen berichtet. Sie ist im Ruhestand, alleinstehend. Oft hatte sie das Gefühl, in ihrem Leben geschähe nichts mehr. Dann fing sie an, einen Blog zu schreiben; eine Art Tagebuch, das im Internet Freunde und Bekannte mitlesen können.

Darin berichtet sie von ihren Alltagserlebnissen. Wie sie spazieren geht, um den Stadtteich. Den Vögeln zusieht. Was der Sturm mit den Bäumen macht. Wie die Wolken am Himmel Figuren und Gesichter bilden. Und – ihre Leserinnen und Leser finden es toll.

„Wenn ich früher anderen Menschen zugehört habe oder ihre Blogs gelesen habe“, sagt sie, „habe ich mich oft darüber gewundert, was die alles für interessante und bemerkenswerte Dinge erleben. Nur ich nicht.“

Heute weiß sie: Sie erlebt in ihrem Alltag genauso tolle Dinge – bemerkenswert werden sie dadurch, dass sie sich damit beschäftigt. Dass sie genauer hinschaut, beobachtet, im Herzen bewegt. Sie aufschreibt. Andere daran teilhaben lässt.

Vielleicht kann man daraus lernen, wie das geht: wertvolle Augenblicke des Lebens nicht verstreichen zu lassen.
• Schaue genau hin.
• Erlebe den Augenblick. Bewusst.
• Schätze ihn wert.
• Warte nicht auf den noch schöneren, noch größeren, noch glücklicheren Augenblick.

Und hier liegt eben die Stolperfalle: im Sehnen nach mehr. Vorfreude hat ihre Berechtigung. Auf den Frühling. Auf den nächsten Urlaub. Dieser Blick nach vorn kann Glück entfachen. Aber er darf nicht das „Jetzt“ entwerten. Auch wenn der Augenblick grau ist, trübe und kalt, wenn er voll von Sorge ist, vielleicht sogar voller Schmerz: Auch dieser Augenblick ist Leben. Ein Geschenk. Er ist kostbar und kommt nicht mehr zurück.

Sehnsucht, Sorge, Vorsorge gehören zum Leben. Man kann sie nicht durch irgendwelche Tricks abschalten – aber sie eben als Teil des Lebens begreifen. Wenn man die Bibel dazu befragt, sagt sie: Seht die Vögel unter dem Himmel an; die Lilien auf dem Felde.

Vielleicht darf man das auch einmal ganz wörtlich verstehen: Sieh sie dir an! Geh raus. Schau genau hin. Lass den Augenblick nicht achtlos vorbeiflattern.