Rubensstadt Antwerpen? Ist das nicht nur ein klangvolles Attribut? Wie kann ein Mensch, der vor 400 Jahren lebte, den Charakter einer heutigen Großstadt beeinflussen? Gibt es tatsächlich noch Orte, die vom Schaffen dieses Barockgenies erzählen? Die Frage ist schnell beantwortet: mehr als man denkt.
Es gibt wohl kaum eine andere Stadt, in der so viele Restaurants und Kneipen auf Kundschaft warten und wo Confiserien und Patisserien Tür an Tür ihre süßen Versuchungen anbieten. Auch der schöne Schein ist den Menschen in der flämischen Halbmillionenmetropole wichtig. Antwerpen hat einen hervorragenden Ruf als Stadt der Mode. International anerkannte Designer haben hier ihre Ateliers und Boutiquen. Der sinnenfrohe Barock der Rubenszeit scheint hinter vielen der meist alten Fassaden noch lebendig zu sein.
Rubenshaus nach alten Plänen wieder aufgebaut
Und den Rubens – den kennen sie hier alle. Er gehört sozusagen dazu. Schließlich hat er den Namen der Stadt in die weite (Kunst-)Welt getragen. Darauf ist man noch immer stolz. Die meisten Antwerpener haben einen Lieblings-Rubens, sagen sie. Wenn man sie freundlich fragt, verraten sie, wo er zu finden ist.
Die Spurensuche verläuft zwischen dem repräsentativen Wohnhaus des Malers und dem Museum für Schöne Künste, wo dem Meister ein eigener Saal zugedacht ist. Das Rubenshaus, ein geräumiges Stadtpalais, in dem der Maler den größten Teil seines Lebens verbracht und gearbeitet hat, ist als Kopie nach alten Plänen wieder aufgebaut worden.
Knarzende Holzdielen heißen in der guten Stube der Familie Rubens willkommen. In den mit altem Mobiliar, Gebrauchsgegenständen und dekorativen Objekten jener Zeit eingerichteten Räumen steht der Künstler Rubens im Mittelpunkt. Eigene Werke und Skizzen sowie Bilder von Zeitgenossen und Schülern sind dort zu sehen. Sogar eine eigene Kunstkammer, in der die Arbeiten wie in einem kleinen Museum präsentiert wurden, besaß das Heim des höchst potenten Künstlers und Sammlers Peter Paul Rubens. Sie ist heute der Höhepunkt des Besuchs.
Der 1577 in Siegen Geborene – dorthin war die Antwerpener Familie vor den protestantischen Calvinisten geflohen – war nicht nur als Maler tätig. Auch Teile seines Wohnhauses (die Gartenanlagen werden zurzeit wiederhergestellt) und die Barockfassade sowie Bereiche des Interieurs der Karl-Borromäus-Kirche sind nach Entwürfen von Rubens ausgeführt worden. Die Gegenreformation erlaubte 1589 die Rückkehr der Familie nach Antwerpen. Die katholische Kirche hatte obsiegt, was sich für Rubens auszahlen sollte, erhielt er doch zahlreiche Aufträge für Kunstwerke mit religiösen Themen. Er war eben weit mehr als ein Maler praller Körperpartien.
Die bedeutendsten Schöpfungen findet man in der Liebfrauenkirche, deren schlanker 123 Meter hoher Turm das Stadtbild beherrscht. Zum reichen Schmuck der Kirche zählen vier Altarbilder von Rubens: Mariä Himmelfahrt, Kreuzaufrichtung, Kreuzabnahme und Auferstehung Christi. Die Intensität und Dynamik, die diesen Darstellungen innewohnt, wirkt noch nach Jahrhunderten frappierend. Neben der Kathedrale steht das Rubens-Denkmal: Es zeigt den Künstler in der Pose eines gönnerhaften Edelmannes.
Grabstätte Jakobskirche in der Rubenskapelle
Auch andere Gotteshäuser können mit Werken von Rubens aufwarten. Wie in ein Museum flämischer Barockmalerei versetzt fühlt man sich in der wenige Schritte von der Schelde entfernten Pauluskirche. Mehr als 50 Gemälde von Jordaens, Teniers, Van Dyck und natürlich Rubens schmücken die Wände der ehemaligen Klosterkirche. In der Jakobskirche befindet sich die Rubenskapelle mit der Grabstätte des 1640 gestorbenen Künstlers. Das Altarbild hat Rubens rechtzeitig selbst angefertigt – sicher ist sicher.
Es sind aber nicht nur die Kirchen, die das Erbe des Barockmalers bewahren. Die Werke des Künstlers waren seinerzeit so beliebt, dass kaum ein Patrizierwohnsitz ohne einen Rubens auskommen konnte. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass man heute noch Arbeiten des Malerfürsten im Hause des damaligen Bürgermeisters, dem Museum Rockox-Haus, entdecken kann. Und im Plantin-Moretus-Museum, wo das Schaffen der berühmten Drucker- und Verlegerfamilie dokumentiert wird (das erste Museum, das zum Weltkulturerbe erklärt wurde), sind Portraits von Rubens zu bestaunen – neben originalem Arbeitsgerät und Druckerpressen aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
Im modernen Handels- und Hafenzentrum Antwerpen ist man stolz auf die ruhmreiche Vergangenheit. Fortschritt und Geschichte, die an vielen Stellen sichtbar geblieben ist und gepflegt wird, kooperieren erfolgreich. Das hat schon einem wie Rubens, der als ein den weltlichen Genüssen durchaus zugetaner Zeitgenosse gut in diese Stadt gepasst hat, das Leben leicht gemacht.
• Weitere Informationen: www.visitflanders.com/de, www.visitantwerpen.be.