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„Erschöpft aus Liebe“: 100.000 Mütter vor dem Brandenburger Tor

Bedürfnisse von Müttern? Die spielen eine viel zu geringe Rolle, kritisiert eine Initiative. Sie ruft 100.000 Mütter vor das Brandenburger Tor: Care-Arbeit müsse angemessen honoriert werden.

Aktivistin: „Mütter müssen aber aus dem Schatten heraus. Care-Arbeit ist der Kitt der Gesellschaft“ (Symbolbild)
Aktivistin: „Mütter müssen aber aus dem Schatten heraus. Care-Arbeit ist der Kitt der Gesellschaft“ (Symbolbild)Imago / Zoonar

Was es bedeutet, mit Kindern unterwegs zu sein – darauf wird nach Einschätzung einer Expertin in Deutschland zu wenig Wert gelegt. Das habe damit zu tun, dass strukturelle Bedingungen meist von Männern geplant und für deren Bedürfnisse ausgerichtet seien, sagte Antje Krause, Mitinitiatorin der Bewegung „100.000 Mütter“, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.

Erfahrungswelten von Menschen mit Kindern würden bei vielen Planungen und politischen Entscheidungen nicht abgebildet. Das fange schon bei den öffentlichen Toiletten an: „Pissoirs sind kostenlos, Toiletten, die Frauen benötigen, kosten dagegen Geld oder es gibt keine.“ Wer sein Kind unterwegs wickeln müsse, dürfe das dann auf einer Bank am Spielplatz erledigen – ohne sich nachher die Hände waschen zu können, kritisierte sie. Zumeist seien es eben immer noch die Frauen, die größtenteils für diese Care-Arbeit zuständig seien.

Patriarchalische Denkmuster verinnerlicht

Für Samstag, den 10. Mai, ruft die Initiative mit Blick auf den Muttertag am 11. Mai alle Mütter vor das Brandenburger Tor: „Wir wollen eine Verbindung schaffen zwischen allen Müttern, gleich welcher Herkunft, Nationalität oder Partei und unabhängig von Alter oder Anzahl der Kinder“, so Krause, die eine Mutter-Kind-Klinik in Niedersachsen leitet. Zu den Forderungen der Bewegung zählen etwa ein Gesundheitssystem, das die Bedarfe von Müttern angemessen berücksichtigt sowie „eine konsequente Einbeziehung von Müttern“ in gesellschaftsrelevante Entscheidungen.

„Frauen zweifeln erst einmal an sich selbst, wenn sie erschöpft sind“, sagte Krause. „Sie kommen gar nicht auf die Idee, dass es möglicherweise an strukturellen Bedingungen liegt und auch den Werten, die vermittelt werden. Wir alle haben patriarchalische Denkmuster verinnerlicht.“

Initiative: Es drohe Altersarmut von Müttern

Zudem seien Mütter stets von allen Seiten Kritik ausgesetzt. „Als Mutter können Sie wenig arbeiten oder gar nicht – dann heißt es: Du hast ja ein cooles Leben, kannst du dir das leisten? Wenn Sie viel arbeiten, dann heißt es: Und wie machst du das mit deinen Kindern?“, so die 61-Jährige Mutter zweier Kinder.

„Um als Gesellschaft weiter bestehen zu können, brauchen wir diese Menschen, die sich umeinander kümmern, die sich auch trauen, Kinder aufzuziehen“, forderte Krause. „Es kann nicht sein, dass der Preis für diese Liebe ist, erschöpft und ausgelaugt zu sein und dann auch noch im Alter bis zu 40 Prozent weniger Rente zu erhalten“, so die Initiatorin mit Blick auf drohende Altersarmut von Frauen.

Mehr Anerkennung für Care-Arbeit

Im Tarifrecht würden etwa genommene Elternzeiten bei der Erfahrungssteigerung nicht berücksichtigt. „Das heißt, dass eine Frau, die zu Hause bleibt wegen Elternzeit, ihre Erfahrungsstufe erst später erlangen kann, weil die Erziehungszeiten nicht angerechnet werden. Das wird sie in ihrer Lebensarbeitszeit niemals aufholen“, kritisierte sie.

„Care-Arbeit wird als selbstverständlich gesehen und entsprechend wird ihr keine Aufmerksamkeit geschenkt“, so die Aktivistin. „Mütter müssen aber aus dem Schatten heraus. Care-Arbeit ist der Kitt der Gesellschaft.“