Was hat das Schmelzen der Gletscher in Grönland mit dem Leben auf einer kleinen polynesischen Insel zu tun? Eine ganze Menge, sagt Forscherin Antje Boetius. Diese Zusammenhänge müssten Kindern stärker vermittelt werden.
Für die Rolle des Meeres im menschlichen Leben sollte viel früher Verständnis geweckt werden: Das fordert die Tiefseeforscherin Antje Boetius. In anderen Ländern werde das Thema schon früh in der Schule behandelt, sagte sie dem Portal watson.de am Sonntag. Wissen und Verstehen könnten hilfreich sein, “auch wenn es nicht um gute Nachrichten geht”.
Die Meere leisteten Überlebenswichtiges für die Menschen, erklärte Boetius: etwa durch Nahrung, die Produktion von Sauerstoff durch Algen und die Aufnahme von Wärme durch den Ozean. “Gerade in Zeiten der Pandemie ist deutlich geworden, wie sehr Menschen Spaziergänge am Wasser für ihre mentale Gesundheit benötigen.” Sie erkläre sich dies so, dass die Weite der Küsten, die Bewegung der Wellen und die Geräusche des Windes entspannend wirkten.
Die meisten Menschen stellten “überhaupt nicht in Frage, dass die Ozeane ein essenzieller Teil der Erde sind”, fügte die Meeresbiologin hinzu. Oft fehle es eher am Wissen darüber, “wie sehr unser Alltagshandeln, wie Industrie und Entwicklungsperspektiven der Gesellschaften vom Zustand der Meere abhängen”.
In den vergangenen 30 Jahren habe es “wirklich weitreichende” Veränderungen gegeben; die Ozeane seien fast überall wärmer geworden. Am deutlichsten sei dies in den Polarregionen zu beobachten, erklärte Boetius. “In den tropischen Regionen ist es vor allem der Zustand der Korallenriffe, der mich besorgt.” Durch Hitzewellen, Verschmutzung und Übernutzung stürben Korallen ab. Eine “Liste des Schreckens” lasse sich fortsetzen, etwa mit der Versauerung der Meere, dem Sterben von Fischen oder Plastikverschmutzung.
Ihr gebe es Hoffnung, “durch die Forschung auch Zeithorizonte von tausenden, hunderttausenden, Millionen von Jahren zu betrachten”, sagte die Wissenschaftlerin. “Dieser Blick auf die langfristigen Prozesse hilft, die menschliche Existenz nicht so im Zentrum von allem zu sehen.”