Der Medizinische Dienst Nord fordert eine Meldepflicht für vermeidbare, folgenschwere Behandlungsfehler. Dazu müsse es im Gesundheitswesen eine Anlaufstelle geben, bei der solche Meldungen anonymisiert und sanktionsfrei vorgenommen werden können, erklärte Andreas Krokotsch, Leitender Arzt des Medizinischen Dienstes Nord, am Donnerstag laut Mitteilung des Dienstes. Behandlungsfehler verursachten „unsagbares Leid, deshalb brauchen wir dringend Verbesserungen bei der Fehlerprävention im Gesundheitswesen“, sagte Krokotsch.
In Hamburg und Schleswig-Holstein prüfte der Medizinische Dienst Nord nach eigenen Angaben 2024 insgesamt 2.867 Fälle, die den Krankenkassen gemeldet worden waren. Nach erster medizinischer Vorprüfung sei in 910 Fällen eine Begutachtung erfolgt, die insgesamt 247 Behandlungsfehler ergeben habe, bei denen ein gesundheitlicher Schaden nachgewiesen werden konnte (27,1 Prozent). In 23,5 Prozent der Fälle sei der gesundheitliche Schaden durch den Behandlungsfehler verursacht worden. In 2,1 Prozent der Fälle sei ein Zusammenhang unklar, in 1,5 Prozent der Gutachten sei kein Zusammenhang festgestellt worden. In 2,6 Prozent der Fälle habe zwar ein Behandlungsfehler vorgelegen, dieser habe jedoch keinen Schaden nach sich gezogen.
Da Daten zu Behandlungsfehlern nicht zentral erfasst und ausgewertet würden, gingen wissenschaftliche Untersuchungen von einer hohen Dunkelziffer in Deutschland aus, informierte der Medizinische Dienst Nord.
Laut Krokotsch zeigen die Zahlen, „wie wichtig es ist, dass gesetzlich Versicherte das Recht auf eine unabhängige und für sie kostenfreie Prüfung vermuteter Behandlungsfehler durch den Medizinischen Dienst haben“. Die Aufklärung eines Behandlungsfehlervorwurfs sei für die Betroffenen oft entscheidend, um das Erlebte zu verarbeiten. Zugleich zeigten die Zahlen aber auch, dass nicht alle Beschwerden oder Probleme im Nachgang einer Behandlung eine fehlerhafte Versorgung bedeuten.
„Eine Meldepflicht für gut vermeidbare, aber folgenschwere Fehler, wie Patienten-, Seiten- oder Medikamentenverwechslungen – sogenannte Never Events -, könnte uns dabei helfen, ein besseres Lagebild zu erhalten“, sagte Krokotsch. Eine entsprechende Anlaufstelle wäre „ein wichtiger Schritt hin zu mehr Prävention und Patientensicherheit“.
Der Begriff Behandlungsfehler umfasst laut Medizinischem Dienst Nord unterschiedliche Arten von Fehlverhalten. So kann ein Behandlungsfehler vorliegen, wenn eine Behandlung nicht den aktuellen medizinischen Standards entspricht, wenn eine gebotene medizinische Behandlung unterlassen, eine unnötige Behandlung durchgeführt oder wenn eine Diagnose trotz eindeutiger Hinweise nicht gestellt wird.
Der Medizinische Dienst Nord ist der unabhängige Prüfdienst für Gesundheit und Pflege in Norddeutschland.