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Medienhype und Zweckgebete

Vor dem Unikrankenhaus von Grenoble herrscht reger Medientrubel. Michael Schumacher, der Formel 1-Rekordweltmeister liegt hier im künstlichen Koma auf der Intensivstation. Er war am 29. Dezember beim Skifahren gestürzt und hatte sich dabei ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen. Sein Zustand ist stabil aber kritisch – heißt es… Von Veit Hoffmann

Von Veit Hoffmann

Vor dem Unikrankenhaus von Grenoble herrscht reger Medientrubel. Michael Schumacher, der Formel 1-Rekordweltmeister liegt hier im künstlichen Koma auf der Intensivstation. Er war am 29. Dezember beim Skifahren gestürzt und hatte sich dabei ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen. Sein Zustand ist stabil aber kritisch – heißt es.

Sein Unfall hat einen beispiellosen Medienrummel ausgelöst. Übertragungswagen, Kameraleute, Toningenieure, Journalisten, Fans und Fotografen aus aller Welt belagern das Krankenhaus und stellen dessen Betrieb und Schumachers Familie auf eine recht harte Probe. Denn manche Presseleute schrecken vor keiner Geschmacklosigkeit zurück. Ein Fotograf versuchte angeblich, als Priester verkleidet, zum Patienten vorzustoßen. Ein Foto von Schumacher im Koma hätte ihm gut und gerne 100 000 Dollar eingebracht. Andere Fotografen versendeten Fotos vom Unfallort, auf denen angeblich Blutflecken des Verunglückten zu sehen sein sollen. Dieser Medienzirkus bietet viel Stoff zum Fremdschämen.

Diverse Prominente, die bisher weiß Gott nicht durch Frömmigkeit aufgefallen sind, beteuern zudem, sie hätten für Schumi gebetet. Ich möchte diesen Menschen nicht grundsätzlich den Glauben absprechen, doch Zweckgebete befremden mich. Niemand kann Gott für etwas engagieren! Ich glaube nicht an den Erfolg von Zweckgebeten, obgleich sie schon immer in Mode waren. Damals vor dem ersten Weltkrieg betete Deutschland außenpolitisch: „Gott strafe England!“. Im französischen Saint-Aignan betete der Priester Arthur Hervet innenpolitisch um einen Herzinfarkt für Nicolas Sarkozy, weil er die dortigen Roma abschieben ließ. Sarkozy ist bis heute übrigens ein fleißiger Jogger. Ein Gebet jedoch ist kein „Wünsch dir was“ sondern vielmehr die Sprache des Glaubens. Neben der persönlichen Aussprache vor Gott besonders eine Lebenseinstellung, die akzeptiert, dass das Leben zerbrechlich sein kann. Dass der Wunsch nach ewiger Stabilität eine Illusion ist, es auch von einem Moment auf den anderen anders verlaufen kann als erhofft – ohne Plan B.

Doch woher kommt der enorme Medienhype? Ein Held verunglückt so banal! Er hätte auch beim Abschmücken des Weihnachtsbaumes von der Leiter stürzen können. Er verunglückte wie wir. Dieser Unfall passt nicht zur heldenhaften Aura von Schumi. Ein Held darf so nicht aus dem Leben scheiden. Er darf sein Leben bei Tempo 300 beenden aber nicht bei trudeligen 20 km/h auf einer Skipiste oder beim Abschmücken des Weihnachtsbaumes. Ein Held sieht den Tod offenen Auges auf sich zukommen.

Man erreicht das Ende so oder so, mitviel Tempo oder ganz unspektakulär. Schumachers Leben glich einem abgeschossenen Pfeil. Von der Kerpener Kartbahn zur Weltspitze. So soll er es auch beenden. Am besten im Silberpfeil.Doch das Leben ist kein „Wünsch dir was“.

Der Medienhype von Grenoble. Er bietet Gelegenheit einmal über unsere Heldenverehrung nachzudenken.