UK 18/2016, Leitartikel (Seite 1: „Glaube und Gewalt“)
Dem Leitartikel kann ich nur zustimmen. Als Mitglied der 68er Generation war ich als junger Christ voller Euphorie für eine humane Welt mit gerechten und friedlichen Gesellschaften. Die evangelischen Nachkriegskirchen hatte ähnliche Visionen. Erst die deutsche Mörderbande RAF und die millionenfachen tödlichen Säuberungen der Maos, Pol Pots und anderer Schreckensherrscher haben mir damals den Schleier von den Augen gezogen.
Zur selben Zeit las ich das Gotteswort im Kontext der Sintflutgeschichte (1. Mose 8, 21): „denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf“. Skeptische Moralphilosophen spitzten diese Aussage noch zu. Der Mensch ist des Menschen Feind. Der Mensch ist anfällig gegenüber Egoismen, Ideologien, Machtstreben und Gewaltlösungen. Und deshalb sagen kritische Anthropologen: Der Mensch muss gebändigt werden durch Erziehung, Bildung, Gesetz, Justiz, Polizei sowie den friedlichen Teilen der Religion (siehe Gottes Zehn Gebote und Jesu Bergpredigt).
Menschen brauchen wohl ein ausgewogenes Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit. Linke Zeitgenossen wehren sich gegen Kontrollen und Sanktionen und rechte Überwachungsfanatiker wollen ständig Bürgerrechte beschneiden. Schon große griechische Denker erkannten angesichts dieses Dilemmas das vernünftige Prinzip Maß und Mitte. Diese Konsens-Orientierung täte den Weltreligionen gut, damit der Glaube ohne Gewalt auskommt.
Hermann Reyer, Kierspe
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