Auf dem Marktplatz im südbadischen Emmendingen füllen sich nach und nach die Sitzplätze vor der Bühne. Mehrere hundert Frauen, Männer, Kinder sind am Freitagabend gekommen, um die Uraufführung des Albert-Schweitzer-Oratoriums „Inmitten von Leben“ zu hören. Sie sitzen im Schatten auf den Fensterbänken vor den umliegenden Geschäften, andere kühlen die Füße in dem vorbeifließenden „Bächle“.
Es herrscht eine sommerlich leichte und doch konzentrierte Atmosphäre. Begleitet von warmen Klängen des Cellos stimmen Bläser, das Marimbafon und das Klavier den Chor an. Einige Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgen mit aufgeschlagenem Heft Note für Note, Wort für Wort. Die Botschaft „Frieden und Menschlichkeit statt Sieg und Krieg“ zieht sich durch das ganze Stück.
Das berührende Chorwerk von Kirchenmusikdirektor Traugott Fünfgeld mit Texten des Lyrikers Thomas Weiß ehrt das Vermächtnis des Theologen, Mediziners und Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer (1875-1965). Die genreübergreifende Musik vermittelt die Botschaft von Frieden und Mitmenschlichkeit eingängig.
Das Oratorium sei ein „Manifest des Friedens und der Menschlichkeit“, sagt der badische evangelische Oberkirchenrat Wolfgang Schmidt zur Begrüßung. Als Beispiel nennt er die Versöhnung zwischen Deutschland und dem Elsass. Es entspreche Schweitzers Verständnis, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Nationalität.
Die Uraufführung des Chorwerks findet im Rahmen eines dreitägigen Chorfestes statt, zu dem mehr als 2.000 Sängerinnen und Sänger aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz sowie rund 10.000 Besucher erwartet wurden.
Fünfgeld hatte die Komposition anlässlich des 150. Geburtstages des evangelischen Theologen Schweitzer verfasst. Darin greift er dessen Leben und Wirken zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf und legt einen Schwerpunkt auf Schweitzers Friedensethik. Der als „Urwaldarzt“ im zentralafrikanischen Lambaréné bekannte Theologe setzte sich für ein friedliches, grenzüberschreitendes Zusammenleben ein.
Albert Schweitzer sei verehrt und kritisiert, bewundert und infrage gestellt worden, heißt es im Text. Bis heute bewege Schweitzers Mitmenschlichkeit und moralische Größe, der Respekt vor allem Leben und der unbeirrbare Wille zum Frieden in einer bedrohten Welt.
Feierlich wird es bei dem barocken Zwischenspiel Johann Sebastian Bachs „Dona nobis pacem“ (Gib uns Frieden), das unter die Haut geht. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich: Der Einsatz Schweitzers bleibt eine Aufforderung für die heutige Zeit.
Am Ende gibt es viel Applaus und Standing Ovations für ein Werk, das die Sehnsucht nach Frieden in Töne und Worte fasst. Bewegt von der Musik Fünfgelds, den Texten von Weiß und dem Geist Schweitzers gehen die Zuhörerinnen und Zuhörer nach Hause. (1633/05.07.2025)