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Mal andersrum gefragt

Kennen Sie den? Ob er beim Beten rauchen dürfe, fragt ein jüdischer Gläubiger den Rabbi. „Nein, natürlich nicht!“, lautet die empörte Antwort. Ein Freund, der von der Sache hört, trifft wenig später auf den Rabbi und fragt: „Darf ich beim Rauchen beten?“ „Aber selbstverständlich, mein Lieber“, antwortet der. „Beten darf man bei allem, was man tut.“
Szenenwechsel: Seit einigen Wochen finde ich zwischen meinen Büro-Mails täglich einen Newsletter mit dem Betreff „Bibeltext für den …“; darin der Bibeltext der Ökumenischen Bibellese. Irgendwann im Laufe des Tages, zwischen dem Bearbeiten von Texten und dem Nachdenken über einen Kommentar, öffne ich diese Mail und lese die Bibelverse.

Dabei klingelt manchmal das Telefon, manchmal schaut eine Kollegin herein, manchmal ploppt eine neue Mail auf. Nicht immer bin ich voll konzentriert auf den Bibeltext. Und so stelle ich mir ab und zu dieselbe Frage wie die Raucher in dem Witz: Darf ich eigentlich beim Arbeiten Bibel lesen? Oder gar beim Bibellesen arbeiten?
Anders gefragt: Lässt sich das Heilige mit dem Weltlichen verbinden? Die Lösung, die der Witz anbietet, lautet: Es kommt drauf an. Wer die reine Lehre hochhalten möchte, muss Heiliges und Weltliches streng trennen, der muss sich ganz auf das Heilige konzentrieren und – zumindest für eine Zeit – das Alltagsleben ausblenden. Wer dagegen eher pragmatisch versucht, Glauben und Leben zu verbinden, muss – und darf – Kompromisse eingehen. Wahrscheinlich hat beides seinen Platz im Leben. Ich glaube jedenfalls, ein wenig Beten beim Rauchen (und Bibellesen beim Arbeiten) kann nicht schaden.