Lesen bildet und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn wir lesen, entstehen Bilder in unserem Kopf. Auch wenn wir die Bibel lesen oder hören, ist das so.
Für Kinder gibt es Kinderbibeln. Wenn Kinder in ihnen lesen oder aus ihnen vorgelesen bekommen – machen sie sich ein Bild davon, wie das ist mit Gott und der Welt und dem Glauben.
Kinderbibeln erzählen hauptsächlich Geschichten. Sie erzählen von Menschen, die lange vor uns gelebt haben und welche Erfahrungen sie mit Gott gemacht haben. Wenn Kinder diese Geschichten hören, wenn sie hören, was die Menschen mit Gott erlebt haben und wie sie sich verhalten haben, dann entwickeln sie auch eine Vorstellung davon, was gutes und was schlechtes Verhalten ist.
Mädchen und Jungen bilden sich ihre Meinung und entwickeln eine Vorstellung von Gott und davon, was es bedeutet, das eigene Leben mit Gott zu leben. Da jede Kinderbibel nur eine Auswahl an biblischen Texten nacherzählt, ist die Auswahl der Texte von großer Bedeutung dafür, was für ein Bild sich Kinder machen.
Wie können wir Kindern von Gott erzählen? Wie können wir Kinder mit Gott bekannt machen? Ohne dabei einseitig zu sein, ohne Gott auf ein bestimmtes Bild festzulegen? Und wie können Kinder – Jungen und Mädchen – etwas davon spüren, dass sie selbst Gottes Ebenbild sind?
Am besten geht das, wenn man beim Erzählen auf die Vielfalt der biblischen Gottesbilder zurückgreift.
In der Gütersloher Erzählbibel haben wir versucht, so viele biblische Bilder für Gott zu verwenden, wie möglich: Kraft, Stärke, Hirte und viele andere.
Außerdem wird in der Gütersloher Erzählbibel männlich und weiblich von Gott geredet. Weil Gott nicht einfach Mann oder Frau ist, sondern beides und beides nicht, wechselt in der Gütersloher Erzählbibel in der Rede von Gott das Geschlecht – einmal weiblich, einmal männlich. So können sich hoffentlich Jungen und Mädchen als Ebenbild Gottes fühlen.
So, wie die Bibel eine enorme Vielfalt von Gottesbildern kennt, kennt sie auch unglaublich viele unterschiedliche Frauen- und Männerbilder.
In der Tradition des Christentums blieben Frauen lange unsichtbar. Der Bogen der biblischen Geschichte wurde entlang wichtiger männlicher biblischer Personen erzählt.
In biblischen Nacherzählungen für Kinder ist das nicht anders. Es wird fast ausschließlich von großen Männern erzählt: von Adam, von Noah, von den Erzvätern, von Mose, von Josef und seinen Brüdern, von König David, von Jesaja, von Jona, von Jesus, von den Jüngern und von Paulus.
Es gibt aber auch Frauen, die in der Bibel entscheidende Rollen übernehmen: Die Erzmütter, die Hebammen bei Moses Geburt, Moses Schwester Mirjam, die Richterin Debora, Rut, die Moabiterin, die Königin Esther, Maria, die Mutter Jesu, die Frauen am Grab, Prisca und Aquila in der Geschichte der Apostellinnen und Apostel nach Jesu Tod.
In der Gütersloher Erzählbibel wird auch von ihnen erzählt. Übrigens keineswegs einfach als die besseren Menschen gegenüber den Männern.
Die Frauen und Männer, von denen in der Bibel erzählt wird, sind sehr unterschiedlich. Biblische Frauen sind nicht einfach nur schwach und Statistinnen, biblische Männer nicht einfach nur stark und souveräne Macher.
Frauen und Männer haben Stärken und Schwächen auch in der Bibel und das sollte Kindern auch ruhig erzählt werden. Damit Kinder an den biblischen Gestalten nicht scheitern müssen.
Denn die Bibel hat für Jungen und Mädchen – auch für Frauen und Männer – eine Vielzahl an Vorbildern. An ihnen kann man sich reiben, mit ihnen kann man sich identifizieren, in ihnen kann man sich selbst wiederfinden.
Die Bibel erzählt vom echten Leben – nicht vom Bilderbuchleben.
Diana Klöpper ist Pfarrerin im Frauenreferat der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) und Frauenbeauftragte der EKvW. Buchtipp: Diana Klöpper/Kerstin Schiffner: Gütersloher Erzählbibel. Gütersloher Verlagshaus, 399 Seiten, 24,95 Euro.