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Männermode-Experte: Die Krawatte ist der neue Ersatzreifen

Mal schmal, mal breit, mal bunt, mal schlicht – die Krawatte war stets ein Accessoire, das zum gut gekleideten Mann dazugehörte. Doch immer häufiger werden inzwischen Hemden mit offenem Kragen getragen. Was ist passiert?

Der Krawatte scheint es zunehmend an den Kragen zu gehen. Laut dem Chef der Florentiner Messe für Männermode, Raffaello Napoleone, war diese im vergangenen Jahr der Bereich, der am schlechtesten lief. Wie der Fachmann der “Süddeutschen Zeitung” (Donnerstag) weiter sagte, sei die Krawatte aber nicht weg, sondern seit einiger Zeit nur woanders gelandet. Viele Männer gingen abends aus und hätten die Krawatte für alle Fälle griffbereit in der Jackentasche. “Sie wiegt ja nichts, und wenn es sein muss, habe ich halt ein Upgrading in der Tasche.” Die Krawatte sei wie der neue Ersatzreifen im Auto immer einsatzbereit.

Auch wenn viele geglaubt hätten, dass sich die Menschen in Krisenzeiten wieder formaler kleideten, sei dies keine allgemeine Regel, so Napoleone. Manchmal passiere eben auch das Gegenteil. Die Menschen wollten es bequemer haben als früher, mehr Reisen, mehr Sport, mehr Privatleben. Das sei sicherlich auch eine Reaktion auf den psychologischen Druck, “den diese Krisen auslösen und denen wir uns ja nicht entziehen können”, gab der Modeexperte zu bedenken. “Das läuft unbewusst ab, da wird Mode zur Therapie.”

Unternehmen, die früher klassische Herrenausstatter gewesen seien, hätten darauf längst reagiert, sagte Napoleone. Heute machten diese auch Sportkleidung. Die Leute wollten sich nicht mehr nur kleiden, sondern performen. Sie liefen mit Wanderstöcken durch die Innenstädte und gingen mit Edel-Sneakern zu eleganten Abenden. Er selbst trage übrigens immer mal wieder eine Krawatte, da diese inzwischen gern als ein Akt der gewollten Grenzüberschreitung gesehen werde. Die Menschen fragen dann sofort, ob etwas los sei. “Also ich mache das ganz gerne und schaue, was passiert”, erklärte der Experte.