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Löhrmann plädiert für interreligiöse Projekte gegen Antisemitismus

Die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte Sylvia Löhrmann wirbt für interreligiöse Projekte und Angebote im Kampf gegen Antisemitismus. Möglich wären dabei „vermehrt interreligiöse Besuchergruppen bei Fahrten in Konzentrationslager und Gedenkstätten“, sagte sie am Montag in Düsseldorf bei der Vorstellung des sechsten Jahresberichts der NRW-Beauftragten für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur. Löhrmann warnte davor, unter den verschiedenen Formen des Antisemitismus zu unterscheiden „und zu suggerieren, einer sei schwerer und gefährlicher als der andere“. Notwendig sei, alle solche Formen „ernst zu nehmen und zu bekämpfen“.

Der Jahresbericht zählt insgesamt 695 antisemitische Straftaten für das Jahr 2024. Im Vergleich zu 547 Fällen im Jahr 2023 stelle das „erneut eine signifikante Steigerung“ dar, erklärte die Landesregierung. Bereits im Mai hatte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (RIAS) die Zahl der gemeldeten antisemitischen Vorfälle unterhalb der Strafbarkeit vermeldet: 944 Vorfälle im Jahr 2024 im Vergleich zu 664 Vorfällen im Jahr 2023.

Löhrmann plädierte dafür, bei der Darstellung jüdischen Lebens in NRW und in ganz Deutschland stärker zu differenzieren und „nicht immer nur an den Holocaust“ zu denken. Unerlässlich beim Kampf gegen Antisemitismus sei es außerdem, die Menschen „immer auch emotional zu erreichen“. Angesichts der insgesamt in NRW gestiegenen Zahl der antisemitischen Vorfälle warnte sie vor einer statischen Erinnerungskultur im Zusammenhang mit den Gräueltaten des Nationalsozialismus. Die Bekämpfung von Juden- und Israelfeindlichkeit in Deutschland könne leider „nicht wie eine Impfung“ umgesetzt werden, sondern müsse stets neu durch „Bildung, Kultur und Liebe“ stattfinden. „Man wird ja nicht als Antisemit geboren“, betonte sie.

Die NRW-Beauftragte betonte, dass das „Engagement der gesamten Gesellschaft“ im Kampf gegen Antisemitismus nötig sei. „Wohnhäuser von Jüdinnen und Juden werden markiert und beschmiert, in jüdischen Restaurants werden Fensterscheiben eingeschlagen, Veranstaltungen mit jüdischem Kontext werden abgesagt“, erklärte Löhrmann mit Blick auf das alltägliche jüdische Leben. Kinder und Erwachsene würden sich aus Angst nicht als jüdisch zu erkennen geben. „Auf den Straßen, an Universitäten, im Kulturbereich wird Antisemitismus offen artikuliert und propagiert; in sozialen Netzwerken kennt Judenhass keine Grenzen“, betonte die Beauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur. Die Polizei müsse jüdische Institutionen rund um die Uhr schützen.

Löhrmann empfahl unter anderem, an den Hochschulen und Universitäten Antisemitismusbeauftragte zu berufen, die Anlaufstellen für Betroffene sein sowie Bildungs- und Sensibilisierungsangebote realisieren sollten. Generell brauche es auch mehr Medienkompetenzprojekte mit Fokus auf antisemitismuskritische Analyse sozialer Medien, Desinformation und Verschwörungserzählungen. Die Antisemitismusbeauftragte wies auch darauf hin, dass die angehenden Lehrerinnen und Lehrer bereits während ihrer Hochschulausbildung mit Fragen der Antisemitismusbekämpfung in Kontakt kämen. Auch danach, in der Zeit ihres Referendariats und als vollwertige Lehrkräfte an den Schulen, sollten sie an Fortbildungen, Veranstaltungen und Begleitmaßnahmen zu dem Thema teilnehmen.

Es dürfe nie vergessen werden, „welche Ängste bei den Menschen in Israel bestehen, wenn es um Generalangriffe auf ihren Staat geht“. Angesichts der aktuellen Lage in Nahost, dem Überfall und dem Krieg der Hamas und der immer noch anhaltenden Geiselnahme, des Kriegs gegen den Iran und dessen Angriffe auf Israel sei es notwendig, „dass die Menschen in Israel zur Ruhe kommen“. Gleichzeitig betonte Löhrmann, die jüdischen Menschen in NRW dürften „nicht in Haftung genommen werden, für das Verhalten eines anderen Staates“.