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Loch an Loch…

Im Westfälischen Kettenschmiedemuseum in Fröndenberg werden Ketten geschmiedet. Und Ehen. Was länger hält? Im Zweifelsfall vermutlich die Kette

Photographer:G Nolte

Wie lange die Ehen, die hier geschmiedet werden, halten, entzieht sich Norbert Muczkas Kenntnissen. Eines aber ist sicher: Die zwei vereinigten Kettenglieder aus Stahl, die jedes frisch gebackene Ehepaar mit nach Hause bekommt, haben eine Lebensdauer, die wohl über die einer durchschnittlichen Ehe hinausreicht.
Miteinander verbunden, und doch beweglich: Für den Stadtbaurat a.D., der sich seit vielen Jahren im Kettenschmiedemuseum in Fröndenberg um Führungen, Trauungen und vieles mehr kümmert, sind die beiden Kettenglieder ein vielsagendes Bild über die Ehe. 700 Paare sind hier mittlerweile vor den Standesbeamten oder die Standesbeamtin getreten, um sich das Ja-Wort zu geben.
Das Museum mit seiner einzigen offiziellen Außenstelle des Fröndenberger Rathaus-Standesamtes ist mittlerweile eine Institution in der Ruhrstadt – und darüber hinaus. Wohl deshalb wurde es zum 1. April dieses Jahres offiziell in „Westfälisches Kettenschmiedemuseum Fröndenberg“ umbenannt. Dabei könnte es auch „Europäisches Kettenschmiedemuseum“ heißen, meint Muczka, denn ihm ist europaweit kein weiteres Museum dieser Art bekannt.
Entstanden 1999 aus einer Privatinitiative und betrieben von einem ehrenamtlich tätigen Förderverein bereichert das Haus, das zusammen mit dem Veranstaltungszentrum  „Kulturschmiede“ im Gebäude der ehemaligen Papier- und Kartonfabrik Himmelmann untergebracht ist, das Leben der Stadt. Und es erinnert an eine große Tradition: das Kettenschmiedehandwerk.
Nicht umsonst trug Fröndenberg lange Zeit den Namen „Stadt der Ketten“, nachdem hier seit 1830 zunächst in „Heim-Kettenschmieden“ und später in großen Fabriken Ketten in jeglicher Größe und Form hergestellt wurden. In den Jahrzehnten zwischen etwa 1900 bis 1960 fanden darin bis zu 4000 Menschen Lohn und Brot.
„Ja, die Stadt blühte mal“, sagt Muczka, „weil es hier Arbeit gab.“  Der Niedergang habe ab den 1970er Jahren durch Konkurrenz aus Osteuropa und China eingesetzt. Nur eine der Fröndenberger Traditionsfirmen existiere noch. Außerdem gebe es Kettenschmieden, so Muczka, in einigen Nachbarstädten, etwa Dortmund und Iserlohn. Gearbeitet werde heute allerdings mit anderen Techniken als in den 1950er und 1960er Jahren.
Das alte Kettenschmiedehandwerk ist zum reinen Museumsobjekt geworden. Wie es funktioniert, das kann man in Fröndenberg erfahren und erleben. Theoretisch – und praktisch.Einmal im Monat geht es richtig heiß her: Dann nämlich kommt Dagobert Köster und feuert den Schmiedeofen an, mit dem dicke Kettenglieder geformt werden.

Maschinen gesammelt und restauriert

Notwendig sind dafür, wie Muczka erläutert, die folgenden Arbeitsschritte: Zunächst schneidet der Kettenschmied mit der „Stabschere“ von einem Stahlstab einzelne gleich große Stücke ab, die so genannten „Pinne“. Die werden dann auf einer Biegemaschine zu einem „U“ geformt und im Ofen auf 1200 Grad erhitzt. Anschließend nimmt der Schmied das „U“ und schärft die beiden Ende an, indem er sie unter dam Fallhammer platt schlägt. Danach wird das „angeschärfte U“ in ein zuvor fertiggestelltes Kettenglied eingehängt und am „Ambosshorn“ zu einem „O“ zusammengeschmiedet. Schließlich werden die dann übereinander liegenden Enden mit dem Schmiedehammer und unter dem Fallhammer zu einem neuen Kettenglied zusammengeschweißt.
Auf die Schmiedefeueranlage aus dem Jahr 1910 – sie stammt aus der Ruhrland Kettenfabrik Wilhelm Prünte in Fröndenberg – sind die Museumsleute besonders stolz. Überhaupt war es ein echtes Stück Arbeit, die Maschinen aus zahlreichen ehemaligen Kettenfabriken zusammenzutragen, zu restaurieren und sie wieder funktionstüchtig zu machen.
Denn das war das Ziel: Dass die Besucherinnen und Besucher erfahren können, wie die Kettenherstellung funktionierte – auch ohne dass Dagobert Köster den Ofen anheizt. Bei Kettengliedern, die aus Draht und nicht aus dicken Stahlstangen hergestellt werden, reicht ein Schweißgerät, um aus dem offenen „U“ ein geschlossenes und stabiles „O“ zu formen. Das Grundprinzip in der Kettenherstellung aber ist fast immer das gleiche.
Darüber, wie silberne oder goldene Halsketten gefertigt werden, die das Dekolleté so mancher Braut in der Standesamtsaußenstelle von Fröndenberg schmücken dürften, gibt das Museum keine Auskunft. Vermutlich aber ist das Prozedere auch da zumindest sehr ähnlich. In jedem Fall gilt das, was schon ein altes Kinderrätsel weiß: Loch an Loch – und hält doch.

Westfälisches Kettenschmiede-Museum, Himmelmannpark, Ruhrstraße 12, 58 730 Fröndenberg. Geöffnet April bis Oktober samstags, sonn- und feiertags 10 bis 16 Uhr; Vorführungen am Schmiedefeuer an jedem ersten Sonntag im Monat. Ansprechpartner für Führungen (ab zehn Personen) außerhalb der Öffnungszeiten: Norbert Muczka, Telefon (0 23 03) 8 20 04, E-Mail: norbert-muczka@t-online.de