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Liebe gegen Einsamkeit

UK 21/2018, Einsamkeit (Seite 12: „Offenheit gegen Einsamkeit“)
Zum Thema Einsamkeit möchte ich eine kleine Geschichte erzählen:
Ein Ehepaar. Keine Kinder. Aber einen Vogel im Käfig. Und in der Wohnung. Wenn er und sie zu Hause sind, darf er heraus aus dem Käfig. Die Wohnung ist seine Welt. Er (der Vogel) macht alles mit. Er geht mit in die Badewanne. Er knabbert an Briefmarken. Er schnappt den Kugelschreiber. Er sitzt auf der Schulter. Er gibt Küsschen. Er macht allen erdenklichen Unsinn und Sinn.
Dann sind er und sie nicht da. Zwei Tage, drei … vier … zehn Tage vergehen. Seine Menschen sind verreist. Der Vogel hat seinen Käfig. Er wird täglich versorgt, bekommt frisches Wasser, Futter.
Seine Menschen, er und sie, kommen endlich nach Hause!  Zehn Tage sind vergangen. Für den Vogel eine Ewigkeit. Er hat es überlebt. Es ist ihm nichts passiert. Aber er ist nicht mehr der Vogel von vorher. Er hat sich verändert. Die Sehnsucht nach seinen Menschen hat ihn krankgemacht. Er spricht nicht mehr. Er kommt nicht mehr aus dem Käfig. Er beißt und hackt. So sehr, so auffällig, so beängstigend hat ihn das Alleinsein verändert. Und das nach nur zehn Tagen.
Inzwischen geht es ihm wieder gut. Er hat sich erholt, ist lieb und zugänglich wie früher. Die Rückkehr seiner Menschen hat ihm das Leben gerettet. Kontakt. Gespräch. Liebe. Davon ist der Vogel gesund geworden.
Der kleine Vogel braucht seinen Partner – das kann ein Mensch sein. Auch der Mensch braucht seinen Partner. Das kann ein Vogel sein, aber der Mensch braucht auch den Menschen, seinen Menschen.
Menschen, lasst die Menschen nicht allein! Der Mensch lebt nicht nur von Brot und Wasser und Luft.
Der Mensch braucht Liebe. Wie der Vogel.
Ursula Böttger, Hamm