Artikel teilen:

Landesbibliothek Coburg kann zurückgegebenes NS-Raubgut behalten

Die Nazis beschlagnahmten einst die Bibliothek des jüdischen Arztes Moritz Cramer. Teile davon landeten in der Landesbibliothek Coburg und wurden nun den Erben zurückgegeben. Doch die Werke dürfen am Ort bleiben.

In der Landesbibliothek Coburg ist man durch einen externen Hinweis auf NS-Raubgut gestoßen. Dabei handelt es sich um die Teilbibliothek des jüdischen Bürgers Moritz Cramer (1877-1942) mit 89 Titeln in 108 Bänden, darunter auch seltene frühneuzeitliche Drucke, wie die Landesbibliothek am Freitag mitteilte. Nach Klärung der Rechtsverhältnisse habe die Großnichte des einstigen Besitzers, Melanie Gelber, die Sammlung zurückerhalten. Sie habe diese jedoch umgehend der Landesbibliothek wieder zum Kauf angeboten, so dass die Bücher weiter der Forschung zur Verfügung stünden.

Der 1877 in Gleicherwiesen im damaligen Herzogtum Sachsen-Meiningen geborene Moses (genannt Moritz) Cramer besuchte das humanistische Gymnasium in Hildburghausen und studierte nach dem Abschluss Medizin in München. 1902 erwarb er dort auch seinen Doktortitel. Wohl ab 1905 wirkte er in Coburg viele Jahre als Hals-, Nasen- und Ohrenarzt, später als Nervenarzt. 1910 heiratete er in Frankfurt am Main Emma Nußbaum in jüdischer Zeremonie. Die Ehe wurde nach einem Jahr wieder aufgelöst. Der Arzt blieb kinderlos.

Der kulturinteressierte Mediziner übereignete der Stadt Coburg den Angaben zufolge immer wieder Kunstobjekte. Mit dem Beginn des NS-Terrors seit den frühen 1930er Jahren änderte sich für ihn sein Leben. Bereits 1933 folgten Boykottaufrufe gegen seine Praxis, doch der Arzt verließ die Stadt nicht. Am 27. November 1941 wurde er mit weiteren Coburger Juden im ersten “Todeszug” nach Riga gebracht, wo er vermutlich wenige Tage später ermordet wurde. Behörden legten seinen Tod später amtlich auf den 27. Februar 1942 fest. Vor dem Abtransport waren alle seine Vermögenswerte konfisziert worden.

Cramers große Bibliothek hatte einen Umfang von gut 1.200 Bänden wie es heißt. Sie sei teilweise vernichtet oder zum Verkauf angeboten worden. Teile landeten in der Coburger Landesbücherei. Dies sei durch eine in Yad Vashem aufgefundene Liste der Coburger Landesstiftung, zu der die Bücherei damals gehörte, aus dem Jahr 1944 ohne Zweifel bestätigt worden. Darunter seien nicht nur Werke, die Cramer als Arzt benötigte, sondern auch historische, seltene Drucke aus dem 16. bis 19. Jahrhundert. Das älteste Buch wurde 1556, das jüngste 1938 gedruckt.

Laut Mitteilung umfasst die Sammlung Bücher in deutscher, lateinischer, französischer, hebräischer, englischer und sogar in gälischer Sprache. Auch einige Bibelausgaben seien darunter sowie eine vierbändige Bibel-Konkordanz des italienischen Minoritenmönchs Mario di Calasio (1550-1620) in hebräischer Sprache aus den Jahren 1747 bis 1749. Daneben fänden sich Schriften von Autoren wie dem holländischen Rechtsgelehrten und Theologen Hugo Grotius (1583-1645), dem englischen Theologen John Spencer (1630-1693) und dem französischen Jesuiten Isaac-Joseph Berruyer (1681-1758).