Grillpartys, spielende Kinder oder Hunde: Neben dem ewigen Spitzenreiter Verkehrslärm gilt die Nachbarschaft seit der Corona-Pandemie als neue Quelle für vermehrte Konflikte. Doch es gibt Abhilfe.
Im Sommer sind die meisten Menschen mehr im Freien. Während die einen die Ruhe auf dem Balkon genießen wollen, grillen die anderen im Garten, nebenan toben Kinder. Für Nachbarschafts- und Freizeitlärm gibt es keine verbindliche gesetzliche Lautstärkeregelung, die bundesweit gilt, erklärt der langjährige Leiter des Arbeitsrings Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik (ALD), Michael Jäcker. “Das ist ein besonders schwieriger Bereich, da es hier oft auf das Verhalten ankommt.”
Während für Verkehrs- sowie Gewerbe- und Baulärm bestimmte Immissionsgrenzwerte festgelegt sind, seien entsprechende Regelungen hier Fehlanzeige. Doch Nachbarschaftslärm liegt laut Umfragen nach dem Straßenverkehr an zweiter Stelle jener Geräuschkulissen, von denen Menschen sich belästigt fühlen. Was kann man also tun?
Oberstes Gebot ist wechselseitige Rücksichtnahme: Darauf verweist der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum. Das gelte besonders für Mehrparteienhäuser, in denen Familien mit Kindern und Menschen ohne Kinder wohnen. Bewohner müssen laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs tolerant gegenüber Kinderlärm sein – aber nicht grenzenlos. So könne von kleinen Kindern keine Einhaltung der üblichen Ruhezeiten verlangt werden – von älteren eher. Während typischer Kinderlärm wie Schreien, Lachen und Toben beim Spielen, nächtliches Baby- und Kleinkindergeschrei oder gelegentliches Getrampel nicht zu beanstanden sei, müsse es beispielsweise nicht akzeptiert werden, wenn ein Kind über längere Zeit einen Ball gegen die Wand wirft.
Ähnlich sind die Regelungen bezüglichen Hunden: Gelegentliches Bellen zählt laut Verband nicht als relevante Ruhestörung; übermäßiges oder anhaltendes Bellen – vor allem während der Ruhezeiten – könne allerdings ein Bußgeld nach sich ziehen. Da sich nicht jedem Tier das übermäßige Bellen abgewöhnen lasse, kämen möglicherweise bauliche Dämmmaßnahmen als Alternative in Betracht.
Grundsätzlich gilt: Die Ruhezeiten legen die Bundesländer fest – üblich ist eine Nachtruhe werktags von 22 bis 6 Uhr. Manche Kommunen legen zudem eine konkrete Mittagsruhe fest. In Mehrfamilienhäusern und Wohnungseigentümergemeinschaften gibt es häufig eine Hausordnung, die die Ruhezeiten regelt – sie kann auch strengere Vorgaben machen. In den Ruhezeiten muss auf laute Geräusche, zum Beispiel durch Bohren oder Rasenmähen, verzichtet werden. Gespräche, Fernsehen und Musik in Zimmerlautstärke sind hingegen erlaubt.
Unabhängig von der Quelle kann Lärm akuten Stress und Krankheiten auslösen, sagt Akustikforscher Andre Fiebig. “Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der menschlichen Evolution.” Das Gehör sei dafür zuständig, Gefahren überall, also auch hinter uns oder auch im Schlaf, erkennen zu können. Anders als die Augen sind die Ohren also immer empfangsbereit.
Da Menschen heute mehr zu Hause arbeiteten, störe sie Nachbarschafts- oder Baustellenlärm noch häufiger. “Wir haben seit der Pandemie zunehmende neue Lärmkonflikte beobachtet”, erläutert Fiebig. Zugleich sei der Wunsch, den Geräuschpegel zu senken, weit verbreitet.
Rücksichtnahme ist laut Verbraucherschutzverband auch bei Hobbies angesagt: Während Yoga auf der Bodenmatte unproblematisch sei, erreichten manche Laufbänder eine Lautstärke von 75 Dezibel – eine spezielle Matte oder ein Teppich könnten helfen. Beim Musizieren sind demnach zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen angemessen – unabhängig davon, ob es sich um einen Berufsmusiker oder einen Hobbymusiker handelt. Die üblichen Ruhezeiten müssten stets eingehalten werden; ein generelles Musizierverbot in einer Mietwohnung sei indes unwirksam.
Damit das Ordnungsamt tätig wird, muss eine Lärmbelästigung wiederholt auftreten. Ratsam ist in solchen Fällen ein Lärmprotokoll, so der Verband. Allerdings: Bei Konflikten gelte es, zunächst das Gespräch zu suchen und nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen. “Ein dauerhaft harmonisches Miteinander ist wichtiger als sich kurzfristig durchzusetzen”, sagt Vorständin Sandra von Möller.