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Kurz nach der Auswilderung – Erster Bartgeier ist ausgeflogen

Das ging fix: Normalerweise erheben sich junge Bartgeier erst mit etwa 120 Tagen in die Lüfte. Eines der zwei jüngst im südbayerischen Nationalpark Berchtesgaden ausgewilderten Tiere flatterte nun deutlich früher los.

Zwei Wochen früher als erwartet ist das erste von zwei vor kurzem bei Berchtesgaden ausgewilderten Bartgeier-Mädchen in die Luft geflogen. “Generl” hob am Donnerstag im Alter von nur 107 Tagen ab, deutlich vor den üblichen 120 Tagen. Das teilte der bayerische Naturschutzverband LBV am Freitag im mittelfränkischen Hilpoltstein mit. “Ein sauberer, sicherer Flug – das hat das ganze Team verblüfft”, sagte demnach Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel. Der LBV und der südbayerische Nationalpark Berchtesgaden hatten vor 16 Tagen neben Generl auch Geier Luisa in eine Felsnische im Klausbachtal entlassen.

Beide Vögel hätten seit ihrer Auswilderung mit intensiven Flügelschlägen und Flattersprüngen ihre Flugmuskulatur gestärkt, hieß es. “Luisa, die zwar gleich alt, aber deutlich kleiner und leichter als Generl ist, macht bisher keine Anstalten ihrer Nestgenossin zu folgen. Bis auf kleine Auseinandersetzungen haben sich beide Vögel in der Nische gut vertragen, trotzdem sind sie sich oft erkennbar aus dem Weg gegangen.” Daher erwarteten die Fachleute vor Ort auch keinen “Zugeffekt” für Luisa.

Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre geht das Bartgeier-Team von Nationalpark Berchtesgaden und LBV nach eigenen Angaben davon aus, dass sich Generl in den nächsten Tagen nur verhalten wieder in die Luft wagen wird. “Direkt nach ihrer ersten Landung zog sie sich kletternd in ein steiles System von Felsrinnen zurück und dürfte vorerst mehr zu Fuß als auf den Schwingen unterwegs sein. Für beide Geier legt das Team nun – möglichst ohne menschlichen Kontakt – getrennt Futter aus.”

Auch vom 2024 ausgewilderten Bartgeier Vinzenz gibt es Neuigkeiten: Das Tier ist laut LBV dieser Tage aus den Alpen bis in die Nähe von Koblenz in Rheinland-Pfalz geflogen. “Regelmäßig fliegen einige junge Bartgeier aus dem Alpenraum nach Norden und wurden schon in Großbritannien, den Niederlanden und in Polen nachgewiesen. Solche Suchflüge nach neuen Lebensräumen sind daher nicht allzu ungewöhnlich, aber immer mit erheblichen Gefahren verbunden.” Die Bartgeier könnten mit Bleimunition verseuchte Überreste von Jagdwild finden und sich vergiften. Diese gebe es im Nationalpark Berchtesgaden nicht.

Das Auswilderungsprojekt soll die zentraleuropäische Population der Bartgeier stärken und mit den Beständen auf dem Balkan und in Kleinasien verbinden. Einer der beiden 2021 als Erstes freigelassenen Vögel ist allerdings bereits tot; “Wally” starb vermutlich an einer natürlichen Ursache.

Der Bartgeier gehört mit fast drei Metern Spannweite zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Die Art wurde vom Menschen lange verfolgt, da man dachte, sie reiße Vieh und sogar kleine Kinder. In Wahrheit frisst der Geier fast ausschließlich Knochen.