Predigttext
18 Ich bin überzeugt: Das Leid, das wir gegenwärtig erleben, steht in keinem Verhältnis zu der Herrlichkeit, die uns erwartet – und die Gott an uns offenbar machen will. 19 Die ganze Schöpfung wartet doch sehnsüchtig darauf, dass Gott offenbart, wer seine Kinder sind. 20 Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen – allerdings nicht aus eigenem Antrieb. Sondern Gott hat es so bestimmt. Damit ist aber eine Hoffnung verbunden: 21 die Hoffnung, dass auch die Schöpfung selbst aus der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit wird. Und dass sie so zu der Freiheit gelangt, die Gottes Kinder in der Herrlichkeit erwartet. (…) 24 Denn wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles Hoffnung. Und eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen, ist keine Hoffnung mehr. Wer hofft schließlich auf das, was er schon vor sich sieht? 25 Wenn wir dagegen auf etwas hoffen, das wir noch nicht sehen, dann müssen wir geduldig darauf warten. (Übersetzung aus der Basisbibel)
Wir haben es ja gewusst, aber dass es jetzt doch so schnell gehen soll…“ Der Mann ist Mitte 80, pflegt seine Frau seit Jahren. Nun ist noch eine Krebserkrankung dazugekommen und der Arzt spricht von wenigen Monaten Lebenserwartung. Diese Aussage macht eine Grundspannung deutlich, die wir im Hospizdienst oft erleben: Wir wissen, dass wir sterben müssen – und doch, wenn es dann soweit ist, spürbar und offensichtlich, fällt es uns schwer, es zu glauben und anzunehmen.
Es ist eine herausfordernde Lebensaufgabe für uns Menschen: Zu leben und zu schaffen, unser Herz an etwas zu hängen und Lebenssinn zu finden, in dem Bewusstsein, dass nichts in unserem Leben, ja unser ganzes Leben nicht, von unbegrenzter Dauer ist.
„Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen – allerdings nicht aus eigenem Antrieb. Sondern Gott hat es so bestimmt. Damit ist aber eine Hoffnung verbunden“ – das ist für mich in diesem Predigttext ein zentraler Vers.
Wir Menschen, ja alle Geschöpfe, sind von Gott im Wesen auf Vergänglichkeit angelegt. Es ist nicht unser Versagen, dass wir sterben müssen, es ist unser Sein und Wesen. Es scheint mir, als könnten wir Menschen das nicht gut ertragen, als verletzte es unser empfundenes Recht auf Selbstbestimmung, nicht selbst über die Dauer unseres Lebens und den Zeitpunkt des Sterbens entscheiden zu dürfen.
Dabei ist es auch genau das, was unser Menschsein ausmacht – dies, und das damit verbundene Erleben von Wandel und Veränderung. Nichts bleibt so, wie es ist. Wir können nichts letztgültig festhalten oder absichern. Das macht uns Menschen Angst, lässt uns fragen, ob dann nicht alles sinnlos ist. Aber warum soll die Tatsache, dass wir nicht unendlich lange leben, die gelebte Zeit un-sinnig machen?
Vergänglichkeit macht unser Leben nicht sinnlos, sondern unsere Lebenszeit kostbar, weil sie nicht unbegrenzt ist. Kräfte wachsen und schwinden, Fähigkeiten entwickeln und verändern sich. Wir erleben den Prozess des Werdens und Vergehens zeit unseres ganzen Lebens.
Für uns Christen ist damit aber eine Hoffnung verbunden: Wir sind auf Vergänglichkeit angelegt, aber mit der Hoffnung, dass das nicht alles (gewesen) ist. Das bedeutet für mich einerseits: Der Mensch ist begrenzt in seiner Lebenszeit, in seinem Vermögen und Verstehen. Das hat für mich etwas Entlastendes. Und andererseits: Ich vertraue darauf, dass nach und neben meinem Dasein hier, so wie ich es kenne, noch etwas existiert, das ich nicht kenne und mir auch nur schwer vorstellen kann.
Das macht mein Leben hier nicht unwichtig oder gehaltlos. Es heißt nur, dass es noch mehr gibt und unsere Dimensionen von Zeit und Begrenztheit dann nicht bedeutsam sind. Und ab und zu erlebe ich dies in besonderen Momenten schon hier.Dann ahne ich zu Lebzeiten etwas von diesem Unbegrenzten.
Uns in der Hospizarbeit Tätigen wird die Kostbarkeit der Lebenszeit nochmal besonders bewusst, wenn wir Menschen auf ihrem Weg begleiten dürfen. Leid und Tod, Sterben und Angewiesensein sind Teil des Lebens. Und es ist berührend und beeindruckend zu sehen, wie klug und beglückend verbleibende Zeit auch angesichts körperlichen Leides und Abschiedsschmerzes gefüllt und gelebt werden kann.
Menschsein heißt für uns Christen, es letztendlich nicht selbst in der Hand zu haben. Vergänglichkeit ist die Erinnerung daran, dass ich nicht aus mir selbst heraus lebe. Diese Grundspannung ist für mich Chance und Auftrag zugleich.