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Kornelimünsterer Benediktiner rufen Missbrauchsopfer zur Meldung auf

Aufarbeitung: Benediktiner in Kornelimünster bitten Missbrauchsopfer ihres Internats um Meldung. Ein Berliner Institut soll die Vorfälle wissenschaftlich untersuchen.

Die Benediktiner in Kornelimünster bei Aachen rufen von sexuellem Missbrauch betroffene ehemalige Schüler ihres Internats auf, sich zu melden. Jeder Bericht helfe dabei, sich ein Gesamtbild von Ausmaß und Auswirkungen sexualisierter Gewalt und Misshandlung zu machen, sagte Malte Täubrich vom Institut Dissens am Dienstag vor Journalisten in Aachen. Die Ordensgemeinschaft hatte das Berliner Institut mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Misshandlung an der Internatsschule Sankt Benedikt beauftragt, die die Gemeinschaft von 1948 bis 1988 betrieb.

Nachdem das Institut seit dem Frühjahr 2025 Akten und Medien gesichtet hat, ruft es nun Betroffene und Zeitzeugen auf, sich zu vertraulichen Interviews zu melden. Die persönlichen Aussagen sollen helfen, nachzuvollziehen, wie mit Betroffenen und Tätern umgegangen wurde, was die Aufdeckung der Taten erschwerte, was für Betroffene und Prävention getan wurde.

Täubrich sagte, die Studie sei zunächst bis Mitte 2026 vorgesehen, der Zeitraum für die Interviews bis zum Frühjahr angedacht. “Unsere Erfahrung ist aber, dass Menschen lange brauchen können, um sich dafür zu entscheiden, ein Interview zu geben”, ergänzte er. Daher gebe es für die Interviews keine Deadline.

Bisher hätten sich nur wenige Betroffene gemeldet. Maria Hanisch vom Ausschuss für unabhängige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bereich von Ordensgemeinschaften bei der Deutschen Ordensobernkonferenz (AUAO) erklärt das aus eigener Erfahrung so: “Ich habe auch 35 Jahre gebraucht, um darüber zu reden.” Zum Missbrauch gehöre auch dazu, dass man glaube, selber schuld zu sein. Um das zu reflektieren, brauche es oft viele Jahre. “Das ist nicht mal eben so gemacht, das braucht schon viel Mut, Selbstreflexion und die Fähigkeit zu sehen, was das alles mit einem gemacht hat.”

Neben Vertretern des AUAO unterstützen weitere Betroffenenvertreter und externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Studie.

Bislang hätten sich vier betroffene ehemalige Schüler und eine weitere Person gemeldet, die sexualisierte Gewalt im Seelsorge-Kontext erlebt hat, berichten die Benediktiner. Außerdem seien sie über einen Fall sexualisierter Gewalt unter Schülern informiert worden. Beschuldigt wurden bisher drei inzwischen verstorbene Patres, von denen zwei im Internat tätig waren und einer in der Seelsorge.

Die Benediktiner von Kornelimünster sagten, sie seien sich bewusst, dass sie mit dem Aufarbeitungsprozess etwas nachholen, “das längst hätte geschehen sollen”. Sie erklärten: “Die Gemeinschaft übernimmt damit die Verantwortung für die Taten und für einen mit Mängeln behafteten Umgang mit Betroffenen. Sie will für die Zukunft lernen.” Pater Oliver J. Kaftan erklärte: “Wir sind uns schmerzlich bewusst, dass wir diesen Prozess viel zu lange verschleppt haben. Betroffene fühlten sich von uns nicht verstanden, sie fühlten sich nicht gehört, von uns an den Rand gedrängt. Wir haben zu lange gebraucht, Konsequenzen zu ziehen. Das ist ein zweites Unrecht, das wir ihnen zugefügt haben.” Der Vorsteher der Abtei, Abt Friedhelm Tissen, war im Jahr 2023 wegen Fehlern bei der Missbrauchsaufarbeitung zurückgetreten.