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Können Magnetimpulse die Angst vor Spinnen lindern?

Spinnenangst – das heißt nicht, dass die Betroffenen Spinnen nur nicht mögen, ein bisschen eklig finden oder einfach nicht in der Wohnung haben wollen. Etwa fünf bis zehn Prozent der Menschen haben pathologisch Angst vor Spinnen. Sie reagieren also auf die bloße Präsenz der Achtbeiner beispielsweise mit starkem Zittern, mit Atemnot oder Schweißausbrüchen. Eine neue Therapie gegen Arachnophobie, die momentan an der Uniklinik Würzburg erprobt wird, verspricht Linderung. Corinna H. jedenfalls hat die „Transkranielle Magnetstimulation“ (TMS) geholfen.

„Mich hat meine Spinnenangst im Alltag schon krass beeinträchtigt“, berichtet Corinna H. Die 44-Jährige hatte aus den Medien vom Forschungsprojekt an der Würzburger Uniklinik erfahren und sich gleich angemeldet. „Die Kleinen, also in Stecknadelkopfgröße, die habe ich noch ertragen“, erinnert sich die Probandin. Aber alle Spinnen, bei denen man etwa die acht Beine gut erkennen konnte, waren ein Problem: „Da habe ich dann immer meinen Mann gebraucht, dass er die Spinne aus dem Raum bringt.“ Ihr ganzer Körper habe auf die Spinnen reagiert: „Das war wirklich belastend.“

Eine Schilderung, die die promovierte Psychologin Lisa Marie Cybinski von der Uniklinik Würzburg in ähnlicher Form mehrmals während des Projekts „SpiderMEM“ gehört hat: „Eine pathologische Angst vor Spinnen liegt vor, wenn diese Angst rational nicht erklärt werden kann. Und sie ist behandlungsbedürftig, wenn sie einen im Alltag einschränkt.“ Der Leidensdruck bei den Betroffenen könne enorm sein: Mal eben eine Sprudelflasche aus der Garage holen? Mal schnell ein paar Kartoffeln aus dem Keller? „Für viele Betroffene sind das unüberwindbare Situationen“, sagt Cybinski.

Nun ist Spinnenangst kein wirklich neues Phänomen – und wird seit Jahren auch schon behandelt, zum Beispiel mit sogenannten Konfrontationstherapien. „Bei der an sich häufig erfolgreichen Konfrontationstherapie gibt es eine relativ hohe Rückfallquote“, sagt Psychologin Cybinski. Am Würzburger Uniklinikum testen sie derzeit aus diesem Grund, ob sich Spinnenangst mit magnetischen Impulsen quasi aus dem Gedächtnis löschen lässt, sagt sie: „Das könnte auch auf andere Ängste oder Belastungsstörungen übertragen werden“, die bislang nicht so gut behandelbar seien.

Die ersten Ergebnisse stimmen Cybinski positiv – auch wenn es bisher nur 68 Probandinnen und Probanden gab. „130 sollen es insgesamt werden“, sagt sie. Und auch Corinna H. ist zufrieden. Auch, wenn sie „vielleicht ein bisschen naiv“ an das Projekt herangegangen sei. Denn: Bei einem Teil der Versuchspersonen wird untersucht, ob die TMS alleine die Angst verringern kann, und bei einem anderen Teil wird sie nach einer akuten Angst-Erfahrung eingesetzt. Das heißt, dass die Betroffenen mit einer Spinne konfrontiert werden. „Bei uns war es eine Vogelspinne“, sagt Cybinski.

Die Therapie funktioniert, weil die TMS „neurochemische Prozesse im Gehirn stört“, erläutert die Expertin. Wenn man Angst empfindet, wird im Gehirn eine Angsterfahrung abgerufen – und anschließend wieder verfestigt abgespeichert. „Die TMS verhindert nicht das Abrufen, aber das Abspeichern“, sagt Cybinski. Davon gehen die Forscher jedenfalls aus. Ob die randomisierte, also zufällige und anonymisierte Studie das auch bestätigt, wird sich erst nach deren Abschluss zeigen. Die Nebenwirkungen mit kurzzeitigen Kopfschmerzen oder leichtem Druckgefühl seien jedenfalls gering.

„Ich würde das jedem empfehlen, der Spinnenangst hat“, sagt Corinna H. Schon am Tag nach der Begegnung mit der Vogelspinne sei die Panik weg gewesen. „Die erneute Begegnung am Folgetag war von Neugier geprägt“, erinnert sie sich. Spinnen möge sie zwar immer noch nicht, „aber ich komme jetzt sehr viel besser mit ihnen klar“. Und das, obwohl sie keine „echte“ Behandlung im medizinischen Sinn erhalten hat: „Ich war ein Placebo-Patient, wie ich im Nachhinein erfahren habe. Bei mir wurde nur so getan, als hätte ich eine TMS erhalten.“ Funktioniert hat es trotzdem.

Cybinski erklärt, weshalb nicht alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer magnetische Impulse durch die Schädeldecke erhalten haben: „Es ist noch nicht geklärt, wie die TMS genau auf die Angstprozesse wirkt. Daher führen wir mit einem Teil der Teilnehmenden eine aktive, bei einem anderen Teil eine sogenannte Placebo-TMS durch.“ Erfahrungen wie von Corinna H. zeigten, „dass alle Betroffenen unabhängig von der TMS profitieren“. Es würden weitere Studienteilnehmer gesucht, der Zeitbedarf sei mit insgesamt viereinhalb Stunden in drei Wochen überschaubar. (3176/14.10.2025)