Gigantische Regenmengen, unerträgliche Hitzewellen, gefährdete Ernten: Im Süden Südamerikas ändern sich die Lebensbedingungen dramatisch. Ob die Politik die richtigen Schlüsse daraus zieht, ist bleibt abzuwarten.
Um mindestens 16 Tote trauert die argentinische Küstenstadt Bahia Blanca in der Provinz Buenos Aires in diesen Tagen. Gigantische Regenmengen sorgten für eine Überschwemmung. Die Kosten für den Wiederaufbau werden auf umgerechnet 400 Millionen Euro geschätzt. Doch es ist längst nicht die einzige Naturkatastrophe, die den Kontinent in jüngster Zeit traf.
Vielmehr weckt sie Erinnerungen an die verheerenden Überschwemmungen in der Gegend um die knapp 1.400 Kilometer entfernt liegende brasilianische Großstadt Porto Alegre. Ab Ende April 2024 wurde die Metropolregion von der Außenwelt abgeschnitten. Das Hochwasser im Bundesstaat Rio Grande do Sul, dessen Hauptstadt Porto Alegre ist, kostete insgesamt 181 Menschen das Leben. Ein Jahr zuvor erlebte Montevideo, Hauptstadt Uruguays, den Zusammenbruch der Trinkwasserversorgung. Grund dafür waren keine Überschwemmungen, sondern eine monatelange Dürre. Diese ließ einen Stausee nahezu austrocknen.
Viele der katastrophalen Auswirkungen hätten durch entsprechende infrastrukturelle Vorkehrungen verhindert oder gemindert werden können. Ohnehin wird längst über Klimaresilienz und somit die Fähigkeit der Gesellschaft oder eines Ökosystems, die Folgen der Erderwärmung auszuhalten, debattiert.
Das ist wichtiger denn je, denn Wetterextreme in der Region nehmen zu. Rio de Janeiro erlebte wie weite Teile Argentiniens überdurchschnittlich viele und extreme Hitzetage. Wenn es in der aufgeheizten Atmosphäre dann zu Gewittern kommt, fallen die Starkregen noch heftiger aus.
Die Folgen sind gravierend und weitreichend: Weite Teile der Ernteflächen im brasilianischen Rio Grande do Sul 2024 oder jetzt in Argentinien standen und stehen unter Wasser, was die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigt. Doch wenn außerdem ganze Städte in Regenfluten versinken und Trinkwasser fehlt, geht es bis hin zur Unbewohnbarkeit.
Die brasilianische Geografin Karina Lima sieht neben Wetterphänomenen wie “El Nino” oder “La Nina” auch den Klimawandel als Ursache für die Verschärfung der Wetterereignisse: “Die Erwärmung der Atmosphäre und der Ozeane aufgrund der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erzeugt die Energie für diese extreme Ereignisse.” Und die entlädt sich dann zunehmend durch immer mehr Regen.
Im vergangenen Jahr prophezeite der brasilianische Umwelt-Wissenschaftler Marcelo Dutra nach der Überschwemmungskatastrophe in Rio Grande do Sul: “Was wir in Rio Grande do Sul spüren, wird wahrscheinlich auch in anderen Teilen der Welt zu spüren sein. Belastungen durch extrem hohe Temperaturen, durch Winde, die weit über ihre bisherige Geschwindigkeit und Kraft hinausgehen, oder sehr starke Regenfälle in kurzer Zeit. Das alles ist kein Zufall. Wir werden uns darauf einstellen müssen.” Er sollte Recht behalten, wie das aktuelle Beispiel Bahia Blanca zeigt.
Ob die Politik die richtigen Schlüsse daraus zieht, bleibt abzuwarten. In den USA kündigt Präsident Donald Trump zumindest verbal die Rückkehr zu einer stärkeren Förderung von fossilen Brennstoffen an: “Drill, Baby, Drill.” Ein Motto, dem auch Brasiliens Präsident Lula da Silva folgt. Er machte sich unlängst für die Ölförderung im Amazonasbecken stark. Ob er sich von einer gemeinsamen Petition von 21 Bischöfen sowie Wissenschaftlern und Aktivisten gegen die Ölförderung in Brasilien davon abbringen lässt, ist eher fraglich.
Auch im krisengeschüttelten Argentinien ist der Fokus ein anderer: Die erdgasreiche Region Vaca Muerta soll das Land von einem Energieimporteur zu einem Energieexporteur machen – inklusive Milliardengewinnen, die die überschuldete Staatskasse entlasten sollen. So zumindest lauten die großen Pläne. Tatsächlich wird immer mehr Energie benötigt, weil durch die höheren Temperaturen im Sommer die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen. Wer es sich leisten kann, muss schließlich irgendwie die Extremtemperaturen ausgleichen.