Von Erika Godel
„Gottvater vergewaltigte sein Kind – Ein prominenter Religionspolitiker klagt an.“ So könnte die Schlagzeile zu unserem Predigttext in einem Boulevardblatt heute aussehen. Das klingt sehr reißerisch, aber so ganz falsch wäre es nicht. „Gott, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen.“ So heißt es verharmlosend in der Lutherübersetzung. Im Hebräischen ist eindeutig von Verführung und Vergewaltigung die Rede. Die „Bibel mit Erklärung“ (1990) vermerkt dazu: „In einem sehr gewagten Bild klagt er (Jeremia) Gott an, er habe ihn wie ein harmloses Mädchen verführt, vergewaltigt und lasse ihn nun in seiner Schande dasitzen.“ Es klingt ungeheuerlich, aber Jeremia hat tatsächlich von Gott als seinem Vergewaltiger gesprochen. Er hat sich schon als junger Mann dagegen gewehrt, Gott zu Willen zu sein und sein Prophet zu werden. Aber Gott war stärker. Er hat ihn gezwungen, sein Joch auf sich zu nehmen, was er nicht nur bildlich tat – scharf zu beobachten und noch schärfer zu kritisieren, wie sehr die Zeitgenossen gegen Gottes Gebote verstoßen und wohin das führen würde. Jeremia redete Wahrheit, aber wahrhaben wolle das niemand. Darunter litt er. Er hatte seine Prophetenrolle satt und wollte nicht länger das Opfer einer göttlichen Vergewaltigung sein. Dieses Bekenntnis wird in Predigten oft zum Anlass genommen, über das Burnout-Syndrom damals und heute zu schwadronieren, gerne auch unter besonderer Berücksichtigung der Schwerarbeiter des Wortes, das heißt von Pfarrern, Lehrerinnen, Professoren und Politikerinnen. (…)
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Predigttext am Sonntag Okuli: Jeremia 20,7–11a (Reihe I) 7 Herr, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich. 8 Denn sooft ich rede, muss ich schreien; „Frevel und Gewalt!“ muss ich rufen. Denn des Herrn Wort ist mir zu Hohn und Spott geworden täglich. 9 Da dachte ich: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen predigen. Aber es ward in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer, in meinen Gebeinen verschlossen, dass ich es nicht ertragen konnte; ich wäre schier vergangen. 10 Denn ich höre, wie viele heimlich reden: „Schrecken ist um und um!“ „Verklagt ihn!“ „Wir wollen ihn verklagen!“ Alle meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle: Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen. 11 Aber der Herr ist bei mir wie ein starker Held, darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen.
„die Kirche“ beteiligt sich an der Revision der Perikopenordnung. Jedem Kirchenkreis wurden durch die EKBO eine Perikopenreihen zugeordnet.