Eigentlich wissen wir es ja: Sie sind wichtig, diese krabbelnden, summenden, stechenden, beißenden Tierchen: die Insekten. So richtig mögen können wir sie trotzdem nicht. Zu viele Beine, zu wuselig, und gefährlich sind sie vielleicht sie auch noch.
Was aber wäre, wenn es keine Insekten mehr gäbe? Die Insektenforscherin May Berenbaum hält das für keine angenehme Vorstellung: „Das menschliche Leben, wie wir es kennen, würde wahrscheinlich enden“, meint die amerikanische Wissenschaftlerin. Denn ohne all das, was um uns herum kreucht und fleucht, würden wir hungern, frieren und im Dreck ersticken.
Insekten bestäuben unsere Nahrungspflanzen …
Rund ein Drittel aller Nahrungsmittel in der westlichen Welt gehen nach Berechnung von Forschern direkt auf die Bestäubung durch Insekten zurück. Ohne Insekten müssten wir auf Äpfel, Birnen, Kirschen, Beeren oder Melonen verzichten. Auch beim Gemüse sähe es schlecht aus: Spargel, Bohnen, Kohl, Salat, Gurken, Tomaten und viele andere Sorten brauchen Insekten, um Früchte zu entwickeln. Selbst Fleisch gäbe es kaum noch, denn wichtige Futterpflanzen wie Klee, Luzerne oder Soja wären ebenfalls betroffen.
Tee, Kaffee, Bier oder Wein – alles nicht denkbar ohne die Mithilfe von Insekten. Dabei sind längst nicht nur Bienen an der Bestäubung beteiligt; auch Hummeln, Fliegen, Schwebfliegen, Schmetterlinge und Mücken tragen Pollen von Blüte zu Blüte.
… und fressen unseren Dreck
Aber nicht nur für unsere Nahrung sind wir von Insekten abhängig. Auch für die Vernichtung der Überreste brauchen wir sie: Insekten zersetzen pflanzliche Abfälle genauso wie Aas und Kot. Dabei düngen und lockern sie zusätzlich noch den Boden. Und selbst die Kleidung würde ohne Insekten knapp: Baumwolle, eine der wichtigsten Stofflieferanten der Welt, ist auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen, und für Wolle und Leder braucht es wiederum bestäubte Futterpflanzen.
Insekten sind also unverzichtbar für Abläufe in der Natur. Und doch werden sie häufig vor allem als Plagegeister wahrgenommen, wie die Mücke, die mit ihrem impertinenten Summen unseren Schlaf stört, oder die Wespe, die sich über den Pflaumenkuchen hermacht. Tatsächlich gehen auch ernsthafte Bedrohungen von Insekten aus, wenn sie, wie ein Heuschreckenschwarm, ganze Ernten vernichten oder, wie Termiten, Mauern untergraben und Häuser zum Einsturz bringen.
Besonders verhasst sind manche Arten als Überträger gefährlicher Krankheiten. Der Pestfloh etwa hat vor der Entwicklung der Antibiotika die Bevölkerung ganzer Kontinente an den Rand des Aussterbens gebracht. Die Anopheles-Mücke ist Zwischenwirtin einer der bis heute tödlichsten Krankheiten der Welt, der Malaria. Dengue-Fieber, Schlafkrankheit und die Durchfallerkrankung Ruhr sind weitere Beispiele für das unheilvolle Zusammenwirken von Insekten und Krankheitserregern.
Gleichzeitig entdecken Forscher neuerdings die Tierchen aber auch als potenzielle Gesundmacher: Noch zum großen Teil unerforscht, haben Insekten unzählige Mittel gefunden, sich ihrerseits gegen Parasiten, Bakterien und Viren zur Wehr zu setzen. Ein Beispiel ist die Rattenschwanzlarve, das Frühstadium einer unscheinbaren Schwebfliege. Diese Larven sind die einzigen bekannten Tiere, die in Jauchegruben überleben können. Was unappetitlich klingt, ist in Wahrheit ein wahres Wunder an Abwehrkräften: Wissenschaftler entdeckten bei dieser Larve bis jetzt 19 antibiotische Peptide. Sollte es gelingen, sie künstlich zu reproduzieren, könnte das für den Menschen von großem Wert sein.
Von ihren Fähigkeiten träumen Ingenieure
Eine bereits länger bekannte medizinische Wirkung hat das Gift der Spanischen Fliege, das als Erektionshilfe eingesetzt wurde – nicht selten mit tödlichem Ausgang. Inzwischen haben Forscher herausgefunden, dass der Wirkstoff die Vermehrung von Tumorzellen bremst und so bei der Krebstherapie helfen könnte.
Wer sich also der Welt der Insekten nähert und sich ihre Fähigkeiten und Funktionen in einem Biotop einmal genau ansieht, kommt nicht umhin, fasziniert zu sein. Sie können Dinge, von denen wir Menschen trotz aller Forschung und Mühe weit entfernt sind: Fliegen laufen dank feinster Härchen an den Füßen mühelos glatte Glasscheiben hinauf und hängen kopfüber an der Decke; Libellen können ihre Flügelpaare unabhängig voneinander steuern und so scharfe Drehungen und Rückwärtsflüge ausführen; Mücken haben eine Technik entwickelt, die Wucht eines Regentropfens im Flug abzufangen, obwohl diese, auf den Menschen übertragen, mit der Kollision mit einem Bus vergleichbar ist.
Auch sozial leisten Insekten Erstaunliches: Ameisenstaaten etwa reagieren auf Gefahren zum Teil wie ein einziger Organismus mit Rückzug oder Flucht – ohne dass Wissenschaftler bisher genau erklären konnten, wie das funktioniert.
Es gibt in diesem Bereich auch Erscheinungen, die allen Naturgesetzen zu widersprechen scheinen: So hat eine Bienenart in Südafrika, die sehr isoliert am Kap lebt, die Männchen abgeschafft. Die Fortpflanzung geschieht asexuell: Statt das Erbgut durch die Vermischung der Gene in Ei und Samenzelle zu mischen, entstehen hier lauter Kopien der eierlegenden Königinnen. Warum das so ist und wie sich das auf die Dauer auf die Überlebensfähigkeit der Art auswirkt, ist – wie so Vieles in diesem Bereich – noch nicht erforscht.