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Klein kommt groß raus

Die Heilige Schrift ein Buch der Patriarchen, Könige und Weisen? Die Bibel hat einen aufmerksamen Blick auf Kinder und Jugendliche. Das sollte Konsequenzen für das Christsein haben

muro - Fotolia

Ist die Bibel nicht das Buch der großen alten Patriarchen, der machthungrigen Herrscher, der wortgewaltigen Propheten, der weisen Dichter und des einzigartigen Heilands? Adam, Abraham, Mose, David, Salomo, Jesaja, Jesus und Paulus. In dieser Männerriege haben es bereits Frauen schwer, sich zu behaupten: Eva, Sara, Mirjam, Maria, Lydia und andere. Immerhin, man kennt ihre Namen. Aber Kinder und Jugendliche? Sie hatten in biblischen Zeiten sowieso nur eine geringe Bedeutung. Wo nur sollen wir sie im Buch der Bücher suchen?

Schaut hin! Schaut genau hin!

Der erste Eindruck täuscht jedoch. Es gibt sie, die Kleinen und Heranwachsenden, die sich in die großen Geschichten der Bibel einmischen und Anstoß geben für überraschende Entwicklungen. Oftmals werden sie zu Bildern für Gottes Art und Wesen. Es ist so, wie wenn der Schöpfer in den „Kleinen“ allen „Großen“ einen Spiegel vorhält. Überhaupt hält es die Bibel mit den Unbedeutenden und Unscheinbaren, die man leicht übersieht. Es ist, als wolle sie sagen: Schaut hin! Schaut genau hin!
Eine, die genau hinschaut, ist die junge Tochter des mächtigen Pharaos. Im Uferschilf des Nil  entdeckt sie ein geflochtenes Körbchen mit einem Baby darin. Sie hat Erbarmen mit dem kleinen Wesen und so beginnt die großartige Geschichte des Hebräers Moses, der später einmal sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit führen wird, bis an die Grenzen des gelobten Landes.
Da ist die überwältigende Geschichte von David, einem Hirtenjungen. Er hat die Unverfrorenheit, mit seiner Steinschleuder dem grausig-großen und mächtig bewaffneten Goliath entgegenzutreten. Keiner der mutigsten Soldaten traut sich das. Mit einem kleinen Kieselstein bringt David den Kraftprotz zu Fall. Die Erzählung macht all denen Mut, die zu klein von sich denken. Sie sagt: Du bist wer! Du kannst das! Du hast es nur noch nicht probiert!
Und dann ist da Maria. Man kann davon ausgehen, dass sie noch eine Jugendliche war, als sie erstmals das neue Leben in ihrem Leib spürt. Sie ahnt, dass sie ein ganz einzigartiges Kind zur Welt bringen wird. Sie wird die Mutter Jesu, des von Gott versprochenen Heilands.
Jesus reift zu einem besonderen Freund der Kinder heran. Er selbst sorgt als Zwölfjähriger schon für Verwunderung. Als er die Gelehrten im Tempel mit seinen klugen theologischen Einsichten und hintergründigen Fragen ins Staunen bringt. Klein aber oho – so werden viele gedacht haben. Was aus dem noch einmal werden wird?
Und dieser Jesus adelt alle Kinder und Heranwachsenden ein für alle Mal in dieser kleinen Begebenheit: Als sich seine Jünger realitätsfern über ihren zukünftigen Status im Himmelreich streiten, sorgt Jesus für die dringend nötige Erdung. Er stellt ein Kind in ihre Mitte. Dann bügelt er seine Freunde mit den Worten ab: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Dieser Satz hat es in sich – bis heute. Ja, in der Bibel kommen die Kleinen ganz groß raus.
Welche Konsequenzen kann die biblische Achtsamkeit auf das Kleine und Unscheinbare haben? Da ist zum Beispiel der behutsame Umgang mit Schutzbefohlenen – ein Blick mit den Augen der Nächstenliebe, der uns nicht abhanden kommen darf. Empathie gehört dazu – seine Gefühle nicht zu verstecken, sondern ihre Kraft zum Guten zu nutzen. Da ist das kindliche Vertrauen in Gott, dass unserem erwachsenen „ja, aber …“ standhält. Es ist die Neugier auf und Offenheit für Neues die uns Kinder lehren und es ist ihre beneidenswerte Ehrlichkeit.
Mit dem Fingerzeig auf ein Kind setzt Jesus nicht nur bei seinen abgedrehten Jüngern alles auf Anfang. Es ist bis heute ein Impuls, den hart gewordenen Kokon des Erwachsenseins immer neu zu hinterfragen und das Kind in uns zu entdecken und herauszulocken.