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Kieler Landtag startet Verfassungsreform – Diskussion um Gottesbezug

Kinderrechte, Artenschutz, Klimaziele: Schleswig-Holstein will seine Verfassung umfassend modernisieren. Zwölf Punkte liegen auf dem Tisch – auch ein Gottesbezug wird diskutiert.

Der schleswig-holsteinische Landtag hat am Donnerstag über eine umfassende Modernisierung der Landesverfassung debattiert. CDU, Grüne, FDP und SSW haben dazu einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt, der neue Staatsziele wie Klimaschutz, Kinderrechte, Antidiskriminierung und bezahlbaren Wohnraum vorsieht. Es wäre die größte Überarbeitung der Landesverfassung seit 2014. Die Abgeordneten überwiesen den Entwurf sowie weitere Anträge zum Thema einstimmig zur weiteren Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss.

“Mit dieser Verfassungsänderung nehmen wir zentrale Werte unseres Landes auf – von Klimaschutz über Kinderrechte bis hin zum Schutz vor Diskriminierung”, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Schleswig-Holstein wolle “niemanden in einer digitalen Welt zurücklassen”.

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter hob hervor, Schleswig-Holstein werde “das erste Bundesland sein, das den Schutz der Artenvielfalt ausdrücklich in seine Verfassung aufnimmt”. FDP-Fraktionschef Christopher Vogt sprach von einem “ausgewogenen Paket” und betonte: “Es darf keine Rolle spielen, wen ein Mensch liebt oder wie sein sexuelles Selbstverständnis aussieht.” Zugleich warb er zusätzlich für die Aufnahme einer verpflichtenden Investitionsquote von zehn Prozent des jährlichen Landeshaushalts.

Die SPD lehnt den gemeinsamen Entwurf als einzige Fraktion ab. Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli kritisierte, das Streichen des Rechts auf analogen Zugang zu Behörden und Gerichten sei “ein Fehler”. Viele ältere oder behinderte Menschen seien auf persönliche Kontakte angewiesen: “Die Verfassung darf niemanden ausschließen.”

SSW-Fraktionschef Christian Dirschauer lobte die parteiübergreifende Zusammenarbeit: “Das hat schon was vom dänischen Politikstil.” Er forderte zudem eine Stärkung der Rechte pflegender Angehöriger und von Kindern.

Auch über die mögliche Aufnahme eines Gottesbezugs in die Präambel der Verfassung wurde gesprochen. Vertreter mehrerer Religionsgemeinschaften hatten dies in der vergangenen Woche gefordert. CDU-Abgeordnete Anette Röttger sprach von einer “wertvollen Demutsformel” und einem “wichtigen Appell an unser Gewissen”. Grünen-Politiker Petersdotter erwiderte: “Demut braucht es – aber dafür braucht es keinen Gott.”

Grundsätzlich erklärten sich Vertreter aller Fraktionen gesprächsbereit, das Thema in weiter zu erörtern. Einen konkreten Vorschlag für eine Gottesbezugs- oder Demutsformel gibt es jedoch noch nicht. Ein ähnlicher Vorstoß war bereits 2016 knapp an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit gescheitert.

Insgesamt sind bislang zwölf Änderungen vorgesehen. So sollen der Schutz des Klimas und der Artenvielfalt, der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus sowie das kulturelle Erbe des Landes – einschließlich jüdischer Kultur und der Kulturen der Minderheiten – ausdrücklich in der Verfassung festgeschrieben werden. Für eine Änderung der Landesverfassung ist eine Zweidrittelmehrheit im Landtag nötig, über die die schwarz-grüne Koalition derzeit aus eigener Kraft verfügt.