Was können Antisemitismus-Klauseln bewirken? Dazu äußert sich ein Verfassungsrechtler. Und auch dazu, ob man Judenhass im Kunstbereich tatsächlich häufiger findet als anderswo. Er spricht von “beklemmender Schlichtheit”.
Der Jurist Christoph Möllers sieht bei Klauseln etwa gegen Antisemitismus unbeantwortete Fragen. “Offen ist bisher nicht nur, wie solche Klauseln auf ihre Einhaltung kontrolliert und durchgesetzt werden, sondern bereits, worauf sie sich konkret beziehen: auf Handlungen, also etwa auf die Pflicht, keine antisemitische Kunst zu zeigen, oder auch auf die Gesinnung der Geförderten”, schreibt der Verfassungsrechtler in einem Gastbeitrag für den “Spiegel” (Samstag). “Geht es nur um sichtbare Exponate oder auch um die politischen Überzeugungen etwa der Stadtschreiberin, von der sich in ihrer Lyrik aber nichts findet?”
Gesetzliche Regelungen zur eindeutigen Klärung seien noch nicht absehbar. Sie könnten Möllers zufolge nicht nur zu einer Fülle von Rechtsstreitigkeiten führen, sondern auch zu einer “Politisierung der Auswahlprozesse öffentlich geförderter Kunst”. Wenn Ereignisse in der Kunst Hinweise auf den Zustand der Gesellschaft gäben, dann verliere man mit dem “Unsichtbarmachen problematischer Kunst” ein Stück Beschreibbarkeit dieser Zustände. “Das nützt niemandem.”
Stattdessen liege die Hauptverantwortung bei den öffentlichen Kulturinstitutionen selbst. Diese könnten ihre Unabhängigkeit nur verteidigen, wenn sie glaubhaft im Umgang mit Antisemitismus handelten, erklärte Möllers, der Gutachten zur Kulturförderung verfasst hat. “Diese Verantwortung funktioniert allerdings nur, wenn eine Öffentlichkeit hart kritisiert, ohne gleich beim Staat Konsequenzen zu fordern.” Keine rechtliche Regelung könne ein solches “Zusammenspiel aus öffentlicher Kritik und institutioneller Verantwortung” ersetzen.
Ob der Kunstsektor antisemitischer sei als die allgemeine Bevölkerung, sei unklar, betonte Möllers. Jedenfalls sei dieser Sektor sichtbarer und reaktionsfreudiger. Hinzu komme, dass es immer schwieriger zu sein scheine, Aufmerksamkeit für Kunst durch ästhetische Formensprache zu erregen. “Künstlerinnen und Künstler legen stattdessen großen Wert auf ein politisches Mandat, das sie oft nur mit beklemmender Schlichtheit ausfüllen.”