Über Jahrzehnte hat Israel auf Ausgrabungen an der antiken Stätte von Sebastia nördlich von Nablus verzichtet. Und eigentlich verbietet das Völkerrecht israelische Grabungen in einem palästinensischen Dorf.
Israel hat mit Ausgrabungen an der archäologischen Stätte von Sebastia im Westjordanland begonnen. Das teilte das israelische Kulturerbe-Ministerium mit, wie die Zeitung “Haaretz” (online Dienstag) berichtete. Jahrzehntelang habe Israel von Grabungen in dem besetzten Gebiet abgesehen, da das Völkerrecht Besatzungsmächten solche Aktivitäten verbiete.
Die archäologische Stätte, an der unter anderem der einstige Palast der Könige Israels aus dem 9./8. Jahrhundert vermutet wird, grenzt laut Bericht an das palästinensische Dorf Sebastia und ist praktisch ein Teil des Dorfes. Sebastia und seine Zufahrtsstraßen seien als Gebiet B ausgewiesen – unter palästinensischer Zivilverwaltung und israelischer Sicherheitskontrolle -, während die archäologische Stätte selbst zum C-Gebiet gehöre, also gemäß den Osloer Verträgen vollständig unter israelischer Kontrolle stehe, hieß es.
Obwohl die archäologische Stätte als Nationalpark ausgewiesen ist und von der israelischen Natur- und Parkbehörde verwaltet wird, wird sie laut Bericht von Israelis nur selten besucht. Die letzten größeren archäologischen Grabungen fanden dort in den 1930er Jahren statt, wie es hieß. Noch sei unklar, ob sich die derzeitigen Ausgrabungen am Rande der Stätte wie in der Vergangenheit auf Restaurierungsarbeiten beschränkten oder ob sie sich zu umfassenden wissenschaftlichen Grabungen entwickeln würden.
Der Vorsitzende des Gemeinderates von Sebastia, Muhammad Azam, sagte “Haaretz”, er sei nicht über die Ausgrabungen informiert worden und habe auch keine Erklärung über deren Zweck erhalten. Das Gebiet sei zu einer militärischen Sperrzone geworden, zu der die Bewohner keinen Zutritt hätten.
Die israelische Nichtregierungsorganisation Emek Shaveh, die sich gegen eine Politisierung der Archäologie im israelisch-palästinensischen Konflikt einsetzt, erklärte der Zeitung: “Die Rolle einer Besatzungsmacht besteht darin, Archäologie und Kulturerbe für die besetzte Bevölkerung vorübergehend zu schützen.” Kulturerbe-Minister Amichay Eliyahu erklärte dagegen, Sebastia sei “eine der wichtigsten Stätten unseres nationalen und historischen Erbes”; das Erbe des Landes Israel gelte es zu bewahren.