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Ich habe einen Vogel

Ja, ich weiß. Ein Fahrradhelm schützt den Kopf bei schweren Unfällen. Er kann sogar Leben retten. Aber hässlich ist er, und unbequem noch dazu. Und so lasse ich meinen Helm, sobald das Wetter besser wird, ganz gerne mal an seinem Haken im Schuppen hängen, statt mich schwitzend mit ihm herumzuärgern.
So ging es auch in der vergangenen Woche. Drei, vielleicht vier sonnige Tage lang wollte ich ihn nicht aufsetzen. Und jetzt? Jetzt kann ich ihn nicht mehr benutzen.
Denn jetzt ist er bewohnt.
In den paar Tagen hat es ein Vogel geschafft, Unmengen von Blättern, Zweigen und Moos durch die Ritzen zu stopfen und darin ein kleines kugeliges Nest zu bauen. Ich tippe auf einen Zaunkönig. Irgendwo zwischen all dem trockenen Laub sitzt er jetzt und brütet.

Vielleicht kennt er diese Kinder-Filme, in denen demonstriert wird, wie ein Fahrradhelm ein rohes Ei vor dem Zerbrechen bewahrt. Und da hat er sich wohl gedacht: Was die können, kann ich auch. Ganz schön pfiffig, der kleine Kerl.
Nun gibt es Leute in meiner Umgebung, die es lieber sehen, wenn der Helm auf meinem Kopf sitzt, statt an der Wand zu hängen. Das ist lieb gemeint, und ich sehe es ja auch ein. Aber mal ganz ehrlich: Ich kann doch unmöglich dem kleinen Zaunkönig diesen schönen Plan kaputtmachen, indem ich auf meinem Recht auf Unversehrtheit im Straßenverkehr bestehe.
Ich lasse ihn in Ruhe brüten. Sollte mir danach sein, besorge ich mir einen anderen Fahrradhelm. Wahrscheinlich aber fahre ich den ganzen Sommer über lieber ohne Helm und lasse mir den Wind um die Haare wehen.