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Hochsommer der Achtsamkeit

Das Gegenüber im Blick. Gedanken zum Predigttext am 15. Sonntag nach Trinitatis. Von Oberkonsistorialrat Christoph Vogel leitet die Abteilung für Aus-, Fort- und Weiterbildung/Theologisches Prüfungsamt im Konsistorium der EKBO.

Predigttext am 15. Sonntag nach Trinitatis: Galater 5,25–26; 6,1–3.7–10 Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln. Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden. Brüder und Schwestern, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid. Und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.

Von Christoph Vogel

Der Sommer brannte. Die Lieberoser Heide, Fichtenwalde, Treuenbrietzen, verheerend in Griechenland, mancherorts qualmt es noch immer. Die Sonne brannte auf der Nordhalbkugel wie selten zuvor. Und doch hielt mit einem Mal eine Atmosphäre eigener Art Einzug. Eine Fürsorge, ein Aufeinander-Achthaben wurde spürbar, wie sie sonst nur kennt, wer sich in katastrophaler Lage befand: bei Sturm und Gewitter mitgenommen werden, mit einem überschwemmten Keller spontane Hilfe von Fremden erhalten. In Betrieben wurde eigens Wasser bereitgestellt und sogar Eis spendiert. Die Berliner Stadtreinigung feuchtete die Straßen gegen die Hitze. Im Schatten der Haltestelle rückte man enger zusammen, damit der andere nicht in der Sonne stehen musste.Die Sorglosigkeit dieses Sommers nahm nicht die Gestalt eines Laissez-faire gegenüber dem Nächsten an, sondern zeigte sich als Achtsamkeit, als Sorge um das Gute für den anderen. Natürlich ließ sich auch manch gegenteiliges Beispiel beobachten. Aber mir schienen dies doch betrübliche Ausnahmen. Der Sommerbrand dieses Jahres hat einen Hochsommer der Achtsamkeit befördert. Geradewegs führt das in die zentrale Formulierung des Predigttextes: „Einer trage des anderen Last.“ Eine achte auf die andere.

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