Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke warnt davor, die pro-palästinensischen Proteste an Universitäten pauschal als antisemitisch zu bezeichnen. „Es gab Situationen, in denen antisemitisch agiert wurde, aber es gibt auch ein breites Spektrum von Äußerungen, die man diskutieren muss“, sagte der Experte für Antisemitismus und Rechtsextremismus der tageszeitung: „Aber wenn keine Diskussion stattfindet und stattdessen die Berliner Studierenden, meine Kolleginnen und Kollegen und ich pauschal des Antisemitismus bezichtigt werden, zeigt das einen Verfall der Diskussionskultur – eine autoritäre, gefährliche Entwicklung.“
Stark-Watzinger betreibe “subtile Angstmache”
Scharfe Kritik äußerte der seit 2010 emeritierte Politikprofessor vom Berliner Otto-Suhr-Institut in diesem Zusammenhang an Bundeswissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und dem Präsidium der Freien Universität (FU). Stark-Watzinger betreibe mit der Drohung des Streichens von Fördergeldern „mehr oder weniger subtile Angstmache“.
Von FU-Präsident Günther Ziegler erwartet Funke, dass er sich an die Seite der Studierenden stellt und die Situation für den Dialog nutzt. „Als klar war, dass der Krieg sich ausweitet, hätte man entschieden mehr Diskussionsforen an den Berliner Unis organisieren und die Perspektiven von Friedensforschern, von Vertretern jüdischer Gemeinden und anderen Gruppen und Fachleuten einbeziehen müssen“, sagte Funke. Das sei kaum geschehen: „Dabei waren offene, offensive Debatten an der FU früher möglich.“ Aus dem internen und berlinweiten Druck resultiere die Angst, etwas falsch zu machen.