Mittagsschlaf und Müßiggang: Eine Historikerin hat untersucht, wie sich der Umgang mit dem Nichtstun in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Faulheit neu zu betrachten, könnte sich demnach lohnen.
Viele Menschen sehnen sich zwar nach “völlig nutzenfreiem Nichtstun” – doch umzusetzen ist dies laut einer Historikerin nicht so einfach. “Vor 60 bis 70 Jahren war von der ‘schöpferischen Faulheit’ oder dem ‘produktiven Müßiggang’ die Rede, später eher von Kreativität”, sagte Yvonne Robel im Interview der Zeitschrift “Psychologie Heute” (April-Ausgabe). Diese Denkweise zeige “das Unvermögen, sich von dem Anspruch zu emanzipieren, immer produktiv sein zu müssen”.
Spätestens in den 1970er Jahren seien Fragen zum Mittagsschlaf oder zum Aus-dem-Fenster-Sehen aus Umfragen verschwunden. Auch kämen in dieser Zeit erstmals Begriffe wie “Freizeitstress” auf. Robel hat Quellen von den 1950er Jahren bis heute untersucht – darunter Medienberichte, Ratgeber und Spielfilme -, um die Wahrnehmung des Nichtstuns zu beleuchten. Ihr Buch “Viel Lärm um nichts” ist im vergangenen Jahr erschienen.
Zentral sei stets die Frage, welche Form von Nichtstun legitim sei – und welche nicht. Als das “richtige” Nichtstun gelte in der Gesellschaft “das, bei dem ich sagen kann, warum ich nichts tue. Also dass dahinter eine aktive individuelle Entscheidung steht”, erklärte die Forscherin. Dies sei etwas anderes als Nichtstun “aus ökonomischer Not, bei Freiheitsentzug oder Krankheit”. Die Disziplinierung und Diffamierung von nichtarbeitenden Menschen habe immer existiert, “das läuft die ganze Zeit mit”.
Auch viele Ratschläge rund um Auszeiten oder das Aussteigen seien damit verbunden, “loszugehen und sein Leben anders zu gestalten”, sagte Robel. Heute werde das Nichtstun vielfach als eine Art “Vorsorgemaßnahme für die eigene Gesundheit” betrachtet.
Wenn nach typischen Eigenschaften der Deutschen gefragt werde, lande der Fleiß häufig ganz oben, fügte die Historikerin hinzu. Die “Sehnsucht nach der Fähigkeit zum Faulsein” sei dagegen lange ins Ausland ausgelagert worden, vor allem nach Italien oder Griechenland. “Die Deutschen schrieben der Bevölkerung anderer Länder eine viel stärkere Faulheit zu. Damit bestätigten sie sich in ihrem wirtschaftlichen Hochschwung und dass sie mit ihrem Fleiß alles richtig machten. Gleichzeitig hatten sie aber auch diese Sehnsüchte.”