Der Duft von frischem Fladenbrot lockt Gäste an. In arabischen Buchstaben prangt der Name des Restaurants in großen goldgelben Lettern vor der Theke: „Gaytaa“. „Das steht für das Gute, was nach den Problemen kommt“, sagt Jawad Mohamed. Für ihn ist es der Neuanfang nach der Flucht vor dem Krieg – und ein kleines Stück Heimat.
Gemeinsam mit einem Freund eröffnete Mohamed das Restaurant vor knapp einem Jahr in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, nachdem sie beide aus ihrem Heimatland Sudan geflohen waren. Dort ist mittlerweile seit zwei Jahren Krieg. Die Flucht führte die beiden jungen Männer zunächst nach Ägypten. In Kairo fingen Mohamed und Badawe Omr’an an, gemeinsam zu kochen, und stellten zwei Restaurants auf die Beine.
Auf unterschiedlichen Wegen verschlug es die Männer dann im Dezember 2023 nach Nairobi. Hier begannen sie wieder von vorn, erst mit Catering für Geburtstage und Veranstaltungen, dann mit dem kleinen Restaurant im Stadtteil Kilimani, wo ein großer Teil der sudanesischen Exilcommunity Zuflucht gefunden hat. „Das hier ist ein kleines Stück Sudan“, sagt Mohamed.
Insgesamt 13 Personen arbeiten mittlerweile im „Gaytaa“. Sieben Holztische mit Hockern in Palettenoptik bieten Platz für Gäste, viele Leute holen auch Essen ab oder lassen es sich nach Hause liefern. Über eine offene Theke wird das Essen hinausgereicht, die Stühle stehen da, wo vorher ein Parkplatz war, überdacht von einem Pavillon. An den Planen links und rechts laden Poster zu einem Konzert des sudanesischen Musikers Mohammed Adam ein. Eine Puppenspielgruppe wirbt mit einem Poster auf Arabisch darum, für Kindergeburtstage engagiert zu werden.
Drei Männer sitzen an einem Holztisch und teilen sich genüsslich einen Teller Foul, ein traditionelles Bohnengericht aus dem Sudan. Sie brechen Stücke von Fladenbrot ab, tunken sie in die Soße. Schnell ist der Teller leer. Sie verabschieden sich noch herzlich, eine Kellnerin wischt den Tisch ab. Und schon bald ist er wieder mit neuen Gästen besetzt, die Mohamed in seiner schwarzen Schürze, ebenfalls mit dem goldgelben Aufdruck „Gaytaa“, mit Handschlag begrüßt. Sie bestellen Lammfleisch und Leber, beides Spezialitäten im Sudan.
Wenige Kenianerinnen und Kenianer würden das sudanesische Essen probieren, sagt Omr’an. Die Betreiber der Bar nebenan hätten es nur einmal versucht. Für sie sei es ungewohnt. Die Mehrheit der Kunden sei aus dem Sudan, auch aus dem Südsudan, Äthiopien und Somalia kämen viele Gäste. Die beiden Freunde arbeiten gerade daran, eine zweite Filiale in Nairobi und eine weitere in der Küstenstadt Mombasa aufzubauen.
„Im Sudan gibt es eine wunderbare Beziehung zwischen Restaurantbetreibern und Kunden – die haben wir hier auch“, sagt Mohamed. Er erzählt von Kunden, die alleine kommen. Er setzt sich zu ihnen und fragt, wie es ihnen geht. Oft fingen sie an, Vertrauen zu fassen und von ihren Sorgen zu erzählen, von ihren Träumen. „Ich bin ein bisschen Psychologe“, sagt der Restaurantchef. Und ergänzt: „Wir haben hier eine Gemeinschaft geschaffen.“ Ein Stammkunde kommt mit seinem kleinen Sohn. Der hat gerade laufen gelernt, steuert direkt auf den Gastgeber zu und umarmt ihn erst einmal.
Jawad Mohamed war in Khartum im Marketing-Bereich angestellt, Badawe Omr’an als Druckertechniker. Ihre Familien sind mittlerweile weit verstreut – eine Schwester ist in der Schweiz, Verwandte in Ägypten, ein Bruder war beim Militär und wurde vor Monaten von Milizen verhaftet. Seitdem haben die beiden Freunde nichts mehr von ihm gehört.
Mehrere Millionen Menschen sind aus dem Sudan geflohen, seit im April 2023 der Krieg zwischen der Armee und den paramilitärischen „Rapid Support Forces“ begann. „Die Situation ist schlimm“, sagt Mohamed. Wer noch im Land ist, kann sich auf nichts verlassen. Es gibt keine funktionierende Gesundheitsversorgung, kein fließendes Wasser, keinen Strom. Und immer wieder kommt es zu Gewalt und Kämpfen.
Im „Gaytaa“ baumeln noch Girlanden vom muslimischen Fest am Ende des Fastenmonats Ramadan. „Ich konnte nicht feiern“, sagt Mohamed. Er sei zuhause geblieben und habe an seine Familie gedacht. Er möchte zurück, wenn der Krieg vorbei ist, erklärt er. „Wenn du nicht zuhause bist, wirst du immer deine Familie vermissen, deine Freunde – und auch einen Teil deiner selbst.“