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Heiratsantrag aus der Spieldose

Seit Generationen fertigen Kunsthandwerker im Erzgebirge Spieldosen. Zur Musik drehen sich gedrechselte und geschnitzte Figuren im Kreis. Mittlerweile gibt es sie auch schon digitalisiert

zur einmaligen Veröffentlichung

Unter Glockengeläut dreht die Dresdner Frauenkirche ihre Runden. Wie aus der Puppenstube wirkt die originalgetreue Miniatur, die der Seiffener Kunsthandwerker Ringo Müller auf eine Spieldose gesetzt hat. Rund um die Kirche verschönern gedrechselte und geschnitzte Figuren die klingende Dose. „Die Glocken habe ich noch vor der Weihe der wiederaufgebauten Frauenkirche aufgenommen“, erzählt Müller. Nun tönen sie digitalisiert aus seiner Spieldose.

Verschiedene Melodien aus einer Dose

Spieldosen sind heute vor allem in der Weihnachtszeit eine beliebte Dekoration. Weit über das Erzgebirge hinaus bekannt ist das Motiv „Seiffener Kirche mit Kurrende“, aber natürlich gibt es auch „Christi Geburt“ oder „Engel und Bergmann“. Die Erfindung der Musikdose geht auf den Genfer Uhrmacher Antoine Favre-Salomon (1734-1820) zurück. Er wandte 1796 das Prinzip für eine musizierende Taschenuhr an: Stahlzungen werden durch eine drehende Walze mit Stiften zum Klingen gebracht.
Klassische Spieldosen lassen normalerweise jeweils ein Lied oder Musikstück erklingen. Für seine neue Generation der Spieldosen, die seit 2009 erhältlich sind, hat Ringo Müller mit Informatikern der Technischen Universität Chemnitz zusammengearbeitet. In knapp dreijähriger Entwicklungszeit schufen sie eine elektronische Spieldose, die mit moderner Wiedergabe- und Aufnahmetechnik ausgestattet ist. Dank Bluetooth-Funktion wird das Kunsthandwerk variabel, das Repertoire lässt sich per Computer oder Smartphone austauschen. Dazu gehören auch Trompetenstücke mit Ludwig Güttler.
Die sogenannten Motivplatten, die künstlerisch gestalteten Deckel auf den Spieluhren, können gewechselt werden und haben jeweils einen eigenen Musik-Code. Dieser wird ähnlich einem Strichcode beim Drehen gescannt und elektronisch weiterverarbeitet. Die Motive reichen von Hasen- und Bärenspielplatz über die Weihnachtsbäckerei bis zur Frauenkirche. Dazu laufen im Inneren die passenden Melodien. Auch ein Liebespaar ist dabei, das werde gern zu Hochzeiten verschenkt, sagt Müller.

Unternehmen in vierter Generation

Aber auch eigene Aufnahmen und persönliche Sprachbotschaften können per E-Mail nach Seiffen geschickt werden. Müller und sein Team wandeln sie ins Spieldosenformat um und bringen die Botschaften in die hölzerne Dose. Ein Mann aus Hongkong habe seiner Frau auf diese Weise einen Heiratsantrag gemacht, erzählt Müller: Bei einem Essen in der chinesischen Millionenstadt drehte sich seine Seiffener Spieldose im Kreis.
Der 44-jährige Müller führt sein Unternehmen „Kleinkunst aus dem Erzgebirge“ in vierter Generation. Spieldosen stellt es aber erst seit 1992 her. Der Familienbetrieb wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und fertigte anfangs vor allem Miniaturen, Holzspielzeug und Puppenmöbel. 80 Prozent der Ware entstehe noch immer in Handarbeit, sagt Müller.

Internet: www.mueller.com/die-musikalische-edition.html, www.kwo-olbernhau.de, www.glaesser-seiffen.de, www.kunsthandwerk-lorenz.de.