Von Holger Spierig
„Ich war ein echtes Schwein“, sagte John Lennon in einem seiner letzten Interviews im September 1980. „All diese Jahre, in denen ich mich bemühte, hart zu sein, der harte Rocker, der Frauenheld, der Säufer – sie brachten mich bald um.“ Der Musiker, den ein geistig verwirrter Fan im Dezember 1980 erschoss, wurde vor 75 Jahren in Liverpool geboren, am 9. Oktober 1940.
Trotz seines späteren politischen Engagements für eine gerechtere Welt war Lennon selbst nie ein Heiliger. Von dem Beatles-Quartett war Lennon der schwierigste und unberechenbarste. Im Gegensatz zu seinen Bandkollegen gab Lennon den aufbrausenden Rebellen.
Hinter der Fassade des selbstsicheren und mitunter zynischen Weltstars rang er mit Depressionen und Ängsten: „Ich ging verängstigt durch die Welt und versuchte, so hart wie möglich zu wirken“, erzählte er später. In der Musik gelang es ihm, seine Dämonen in große Kunst zu verwandeln. So ist sein Stück „Help“, das er für die Beatles schrieb, ein Hilfeschrei aus den Tiefen einer Depression.
Zeit seines Lebens litt Lennon unter dem Trauma, von seinen Eltern verlassen worden zu sein. Sein Vater, der als Schiffssteward die meiste Zeit auf See war, ließ die junge Familie schon bald allein. Die Mutter Julia galt als lebens- und liebeslustige junge Frau. Als sie von ihrem zweiten Ehemann ein weiteres Kind bekam, wurde John zur Schwester der Mutter gegeben, Tante Mimi. Erst als Jugendlicher begann Lennon, seine Mutter wieder regelmäßig zu sehen. Doch schon bald starb sie bei einem Autounfall. „Mutter, du hattest mich, ich hatte dich nie“, trauert er später in dem Song „Mother“. Bei den Beatles widmete er ihr mit „Julia“ ein anrührendes Liebeslied.
Nach der Auflösung der Beatles zog Lennon mit seiner zweiten Frau, der Avantgarde-Künstlerin Yoko Ono, Anfang der 70er Jahre nach New York. Dort machte er auch mit Kunst- und Polit-Happenings von sich reden. Lennons Kontakte zu linksextremen Kreisen erregten den Argwohn des Geheimdienstes. Er wurde vom FBI überwacht.
An der Seite Onos versuchte er sich in neuen Männer- und Vater-Rollen. Nach der Geburt seines zweiten Sohnes Sean Ono-Lennon zog er sich sogar vorübergehend komplett aus dem Musikgeschäft zurück und wurde – damals eine Sensation – Hausmann.
Als das Musikmagazin „Rolling Stone“ eine Liste der 100 weltbesten Sänger veröffentlichte, kam Lennon auf den fünften Platz. Sein Song „Imagine“, Vision einer Welt ohne Krieg und Ausbeutung, erreichte den dritten Platz der 500 besten Songs aller Zeiten.
Zu Lennons Geburts- und Todestagen legen viele Fans Blumen und Briefe im New Yorker Central Park nieder, nahe der Lennon-Wohnung im Dakota-Building. Hier hat seine Witwe Yoko Ono die Gedenkstätte „Strawberry Fields“ angelegt.