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Hamburger Kunsthalle zeigt “Rendezvous der Träume”

Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ trifft auf Max Ernsts „Weib, Greis und Blume“: Knapp 100 Jahre trennen die Entstehung der beiden Werke, die die Hamburger Kunsthalle in der Ausstellung „Rendezvous der Träume. Surrealismus und die deutsche Romantik“ ab Freitag miteinander in Verbindung bringt. Die Strömungen des Surrealismus und der Romantik seien verbunden durch Themen, Motive und künstlerische Strategien, teilte die Kunsthalle am Donnerstag mit. „Die Frage nach Wahlverwandtschaften ist ein zentrales Element der Ausstellung. Surrealistische Werke sind häufig auch Hommagen an Künstler der deutschen Romantik“, erklärte Kuratorin Annabelle Görgen-Lammers.

Anlässlich des 100. Jubiläums des „Manifests des Surrealismus“ von André Breton (1896-1966) zeigt die Kunsthalle rund 300 Werke von 65 Surrealistinnen und Surrealisten sowie 30 Romantikerinnen und Romantikern. Die Werke stammen aus über 80 internationalen, privaten und öffentlichen Sammlungen aus den USA, Mexiko und Europa. „Rendezvous der Träume“ ist bis zum 12. Oktober in der Kunsthalle zu sehen.

Die Präsentation umfasst drei große Ausstellungsräume, die verbunden sind durch aus mehreren Kabinetten bestehenden Passagen. Im Hubertus-Wald-Forum steht das Thema „Traum“ im Vordergrund. Surrealistische Kunst beschäftige sich intensiv mit dem Inneren und dem Unbewussten, hieß es. Diese Motive seien unter anderem in Max Ernsts (1891-1976) „Der Hausengel“ zu sehen. „Dieses Werk wird nur selten geliehen und wird in dieser Ausstellung erstmalig mit seiner kleinen Vorstufe gezeigt“, sagte die Kuratorin. Mit dem Gemälde reagierte Ernst auf den spanischen Bürgerkrieg. „Surrealistische Werke sind nicht nur schön. Sie haben eine wahnsinnige Kraft, die insbesondere der Hausengel wunderbar auf den Punkt bringt.“

Das Werk „Weib, Greis und Blume“ von Max Ernst zeige in Verbindung mit Caspar David Friedrichs (1744-1840) „Wanderer über dem Nebelmeer“, wie beide Künstler ähnliche Fragestellungen unterschiedlich beantworten. Beide Werke zeigen den Rücken einer Figur, die auf eine Landschaft blickt. „Das Naturgefühl ist in beiden Werken ein zentrales Thema, wird aber unterschiedlich dargestellt. Im Gegensatz zu Friedrich technisiert Ernst die Landschaft und die Figuren. Die Nebeneinanderstellung dieser Werke soll diese Verbindungen und Unterschiede aufzeigen“, sagte Annabelle Görgen-Lammers.

Die Natur steht auch im Mittelpunkt des zweiten Ausstellungsraums. Hier steht der „Wald“ als Ort des Unbewussten und der Verwandlung im Fokus. Der Wald und seine Kreaturen böten Raum für Verführung, aber auch für Bedrohung. Die surrealistische Künstlerin Leonor Fini (1907-1996) beschäftige sich in ihren Werken intensiv mit diesen Kreaturen der Nacht. „Die Nacht als Motiv führt dazu, dass man in andere Wirklichkeiten übertritt“, erklärte Assistenzkuratorin Vera Bornkessel. Finis Werke zeigten das Zusammenspiel zwischen Surrealismus und Romantik durch den Rückgriff auf die Verklärung der Tierwelt. Besonders interessant sei die Ausstellung der Werke der italienischen Künstlerin auch dadurch, dass sie bisher nicht im Zentrum der Surrealismusforschung stünden.

Der letzte große Ausstellungsraum führt Interessierte unter die Kuppel der Kunsthalle. Mit dem Motto „Kosmos“ werden hier Mikro- und Makrokosmen miteinander in Verbindung gebracht. Außerdem präsentiert dieser Raum die explizite Hommage von Max Ernst „Ein schöner Morgen (Un beau matin)“ an den romantischen Künstler Phillip Otto Runge (1777-1810). Ernst habe sein Werk im Jahr 1965 nach seinem ersten Besuch der Hamburger Kunsthalle gemalt und beziehe sich formell und thematisch auf Runges „Der Morgen (erste Fassung)“, hieß es.

Zwischen den ausgestellten Gemälden und Skulpturen finden sich immer wieder Vitrinen mit Texten und Aufsätzen der Surrealisten und Surrealistinnen. „Surrealismusforschung ist immer auch Archivarbeit. Wir haben hier zusammengetragen, wo und auf welche Weise sich die surrealistischen Kunstschaffenden auf Romantiker und Romantikerinnen beziehen“, sagte Kuratorin Annabelle Görgen-Lammers. Zwischen den großen Ausstellungsräumen haben Interessierte die Möglichkeit, die Strategien der surrealistischen Kunst selbst auszuprobieren. So kann hier unter anderem durch die populäre surrealistische Technik der Frottage, also des Abpausens, eigene Kunst geschaffen werden.

Die Verbindungen zwischen Surrealismus und Romantik werden in allen drei Ausstellungsräumen deutlich. Ziel beider Bewegungen sei ein Lebensgefühl, die Infragestellung einer scheinbar gegebenen Realität und ihrer Grenzen sowie die Transformation des Individuums und der Gesellschaft. „Die Ausstellung ist ein Angebot zum Flanieren, Nachdenken und Entdecken. Es werden Bezüge geschaffen, Fragen gestellt und neue Aspekte für die Surrealismusforschung beleuchtet“, sagte Kuratorin Görgen-Lammers.