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Hamas-Führer mit Kindern in Kampfmontur – Darum verstört die Szene

Tarnfarben, Uniform und eine Waffe um den Hals: Videos mit Kindern, die sich im Dunstkreis des neuen Hamas-Führers kriegsbereit zeigen, erschrecken hierzulande. Eine Psychologin über die Instrumentalisierung der Kinder.

Eine Kinderschar in Uniform umgibt auf Bildern oft den neuen Hamas-Führer Yahya Sinwar – “Er pervertiert das, was wir als politische Verantwortung für Kinder verstehen. Wenn Politiker sich bei Auftritten mit Kindern umgeben, sollen diese Szenen meist Volksnähe, Emotionalität sowie Verantwortungsbereitschaft und Fürsorge gegenüber Kindern vermitteln”, sagt die Psychologin Bettina Meisel am Dienstag in Meerbusch. Die Aufnahmen von Sinwar, die derzeit in den Medien zu sehen sind, stammen zwar aus Zeiten vor seiner Ernennung, erfüllen Eltern hierzulande aber mit Entsetzen und Abscheu.

Yahya Sinwar instrumentalisiere Kinder für seine Zwecke; er wolle mit den Kindern in Kampfmontur vermutlich signalisieren, dass die Terrororganisation Hamas nicht vernichtet werden könne und dass zukünftige Kämpfer bereits nachwachsen, sagt Meisel.

Für die stolz erscheinenden Kinder um Sinwar herum hat die Vorsitzende der Vereinigung für Analytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie (VAKJP) eine Erklärung: “Das mediale Interesse bedeutet Aufmerksamkeit. Die Situation ist für Kinder im Gazastreifen seit Jahren beängstigend und oft mit Ohnmachtsgefühlen verbunden. Kinder spüren durch den ‘Rummel’, dass Sinwar jemand Besonderes ist. Sie sind neugierig und wollen sich an jemanden orientieren, der stark ist”, so Meisel. Zudem sei der Jubel um den Hamas-Kämpfer für die Kinder ein Moment, der sie kurz aus der alltäglichen Angst entfliehen lasse.

Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin betont zugleich, dass “Als-Ob”-Kriegsspiele, die auch in Friedenszeiten für Kinder eine wichtige Funktion für die Verarbeitung ihrer Konflikte hätten, eine andere Qualität haben: “Im Nahost-Konflikt geht es um eine Realität voller Gewalt: viele Kinder machen traumatische Erfahrungen. Wenn etwas nicht bewältigt werden kann, dann ist die Beschäftigung mit dem Trauma, zum Beispiel in wiederkehrenden sehr belasteten Spielen, ein Versuch, dies zu überwinden”. Realer Schutz wäre jedoch eine Vorbedingung, damit dies auch gelingen könne.

Yahya Sinwar, mutmaßlicher Hauptorganisator des Angriffs auf Israel vom 7. Oktober, wurde nach der Tötung von Hamas-Führer Ismail Haniyeh am 31. Juli zum politischen Chef der terroristischen Vereinigung ernannt. Sinwar ist laut Medien seit dem Angriff nicht mehr öffentlich aufgetreten und wird im Tunnelsystem unter dem Gazastreifen vermutet.