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Gut gespielter ZDF-Serie “Späti” fehlt es an Zwischentönen

Das Autorenteam der ZDF-Serie “Späti” füllt ein klassisches Sitcom-Format mit zeitgemäßen Inhalten, bleibt aber hinter den Vorbildern zurück. Schauspielerische Glanzleistungen gibt es dennoch.

Wilson Gonzalez hat seinen amtlichen Nachnamen gestrichen, doch schon rein äußerlich lässt sich kaum verbergen, dass der Mittdreißiger der Sohn ist des sehr öffentlich lebenden Paares Natascha und Uwe Ochsenknecht. Den Fußstapfen des Vaters folgend arbeitet er als Schauspieler, eher beiläufig als Musiker und nun erstmals auch als Serienschöpfer. Gemeinsam mit Martin Waldmann konzipierte er die Sitcom “Späti”.

Die vorerst achtteilige Serie folgt einem klassischen Modell dieses Genres. Ein zentraler Handlungsort wird zum Treffpunkt der unterschiedlichsten Charaktere. Im Klassiker “Cheers” etwa war es eine Kneipe, in “227” ein Apartmentkomplex in einem Washingtoner Schwarzenviertel. Und natürlich nicht zu vergessen im deutschen Fernsehen: die Eppendorfer Grillstation als Ort von Olli Dittrichs “Dittsche”.

“Späti” steht für “Spätkauf”, also für einen Kiosk, der über die üblichen Ladenzeiten hinaus geöffnet hat. Anders als große Supermärkte haben viele Spätis aber vor allem eine soziale Funktion. Sie gehören zur Nachbarschaft, bilden einen Treffpunkt. Stammkundschaft und Betreiber kennen sich. Im Notfall kann man auch mal anschreiben lassen. Wie einst in den “Tante-Emma-Läden”.

“Hakan’s Spätkauf”, im Berliner Kiez gelegen, ist so ein Mikrokosmos. Täglich treffen sich hier Rashid, Marianne und Helmut, ein Kreis spleeniger Müßiggänger, die der Arbeitswelt entzogen wurden oder sich ihr entzogen haben. Sie diskutieren die Weltläufte, kommentieren das Geschehen im Viertel – das Äquivalent zum griechischen Chor. Hier findet Fred, ein lebensuntauglicher Luftikus, tröstende Worte, als er wegen kaum zu überbietender Interessenlosigkeit seine Anstellung verliert. Damit entfällt der Umzug in eine größere und teurere Wohnung. Freundin Maya hat genug von Freds chronischem Gleichmut und trennt sich von ihm.

Als Hakan heim in die Türkei gerufen wird, um nach einem Erdbeben Verwandten beim Wiederaufbau zu helfen, erhält Fred die Chance, sich zu beweisen. Zum Entsetzen seiner Tochter Aylin übergibt Hakan ausgerechnet Fred die Verantwortung für seinen Laden. Zur Freude des Möchtegern-Musikers Konnopke, der mit dem frisch gebackenen Ladenhüter die Band “Fred Konnopke Kollektiv” zum Erfolg führen will und die Freundschaft der beiden ausnutzt, um weiterhin auf Pump Bier und Chips zu konsumieren.

Aylin, die noch zur Schule geht und im Verlauf der Serie 18 wird, versucht Fred in die Spur zu bringen. Der beherrscht die Kasse nicht, öffnet zu spät und ist selbst zu dumm zum Kaffeekochen. Er lässt die Toilette überlaufen, verwandelt den Laden im Zuge einer Party in einen Trümmerhaufen, am Ende riskiert er sogar die Schließung durch das Gesundheitsamt.

Kurzum, Fred verursacht mehr Kosten als Umsatz. Nur dank Aylin und der Hilfe der drei Müßiggänger Rashid, Marianne und Helmut, die teils erstaunliche Talente an den Tag legen, kann die ganz große Katastrophe immer wieder abgewendet werden.

In den ersten Folgen dehnen sich Freds Fehlleistungen leider länger als nötig, um seine Figur zu etablieren. Wenn er sich dann doch mal aufrafft, eine Misere zu lösen, geschieht dies sehr abrupt. Entsprechend kommt Wilson Gonzalez’ Darstellung weitgehend ohne Zwischentöne aus, was umso mehr auffällt, als seine Partnerin Gülseren Erkut in der Rolle der Aylin gleichsam aufgeht. Sie liefert ein präzise und zugleich natürlich abgeliefertes schauspielerisches Bravourstück inmitten eines oft allzu routiniert agierenden Ensembles.

Die Kiezsprache immerhin wird vom Autorenteam gut getroffen, in den Details sind die Drehbücher weniger stimmig. Das besondere Merkmal des Spätkaufs findet kaum Berücksichtigung, die meisten Begebenheiten spielen sich am Tage ab. Sie münden in teils mühsam herbeigeführte Happy-Ends, die Hakans “Späti” in der Realität nicht vor dem Ruin bewahrt hätten. Oder vor der von der neuen Hausbesitzerin ersehnten Schließung.

Mit realitätsnäheren Inhalten würde die Serie erheblich gewinnen. Zu den Besonderheiten der Produktion gehören kleine Gastauftritte prominenter Zeitgenossinnen und -genossen unterschiedlicher Sparten: die Musiker Bill Kaulitz, Alli Neumann, Ski Aggu, Choreographin Nikeata Thompson, die Autorin Sophie Passmann, die Schauspieler Jasna Fritzi Bauer, Marc Hosemann, Vanessa Loibl und andere.