Ein neuer Streit um die stärkere Steuerung von Facharztterminen spaltet die Politik: Die Grünen warnen vor einer gefährlichen Sackgasse.
Die Bundesärztekammer will Patienten zur Kasse bitten, wenn sie ohne Überweisung zum Facharzt gehen. Das trifft bei den Grünen auf Widerstand. “Eine stärkere Patientensteuerung durch ein Primärarztsystem ist das Gebot der Stunde – Strafzahlungen aber sind eine gefährliche Sackgasse”, sagte der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen der “Welt” (Montag).
Ärztepräsident Klaus Reinhardt hatte zuvor Pläne von Union und SPD begrüßt, Patienten stärker durch das Gesundheitssystem zu lotsen. So soll ein einziger Arzt für die Patienten erste Anlaufstelle sein und nur im Bedarfsfall an Fachpraxen weiterleiten. Reinhardt forderte in diesem Zusammenhang, dass Patienten, die sich nicht an diese Forderung halten und auf eine Behandlung jenseits der angebotenen Wege bestehen, sich dann auch selbst an den zusätzlichen Kosten beteiligen müssten.
Dahmen sagte dazu, eine verbindlichere medizinische Koordination der Patientinnen und Patienten durch Haus- und Kinderärzte sei nicht nur effizienter, sondern steigere nachweislich auch Qualität und Sicherheit der Behandlung. Deshalb dürfe die Verbindlichkeit eines Primärarztsystems aber nicht vom Geldbeutel abhängen. “Wir würden am Ende mit Zitronen handeln, wenn man sich aus sinnvollen Regelungen für alle einfach freikaufen kann – dann droht lebensgefährliche Klassenmedizin.”
Der Grünenpolitiker forderte stattdessen eine bessere Versorgung durch eine Stärkung der Ausbildung von Haus- und Kinderärzten, durch Anreize wie Bonuszahlungen für die Teilnahme an einer stärker gelenkten Versorgung – “und durch ein solidarisches Gesundheitssystem, das niemanden bestraft, der krank ist”.
Von der AfD hingegen kommt grundsätzlicher Widerspruch: “Es ist unnötige Schikane der Patienten, sie künftig nur noch über Umwege zum benötigten Facharzt zu lassen”, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Martin Sichert. Schon jetzt seien die Notaufnahmen überfüllt mit Patienten, die eigentlich nur einen Termin beim Facharzt bräuchten. Zudem gebe es in vielen Regionen bereits jetzt einen Hausärztemangel. “Dieser wird sich verschärfen, wenn die Patienten künftig vor jedem Facharzt-Termin zum Hausarzt müssen.”
Auch die FDP übte Grundsatz-Kritik. “Wir haben in Deutschland eines der teuersten Gesundheitssysteme Europas, aber nur durchschnittliche Gesundheitsergebnisse. Das mahnt uns, dringend mehr Effizienz ins System zu bringen”, sagte FDP-Vize Bettina Stark-Watzinger der Zeitung. “Um Ärzte zu entlasten und die Leistungen für die Patienten zu verbessern, sollten wir vorrangig über Mechanismen wie Beitragsrückerstattungen und den verstärkten Einsatz von Telemedizin, aber vor allem über Entbürokratisierung sprechen.”
Ates Gürpinar, Vize-Vorsitzender der Linken, äußerte ebenfalls Ablehnung: “Lotsen in der gesundheitlichen Versorgung wären gut, aber zusätzliche Hürden erhöhen die Gefahr, dass Menschen mit ernsthaften Beschwerden keine oder erst zu spät eine gute Versorgung erhalten.” Dass der Präsident der Bundesärztekammer wolle, dass sich Menschen mit Geld in der Tasche freikaufen könnten, erhöhe die Ungleichbehandlung massiv.