Wieder hat es ein Wohnhaus getroffen. Doch diesmal richtete die iranische Rakete vor allem Sachschaden an. Rettungskräfte vor Ort loben die Disziplin der Menschen, die Polizei beschwört Zusammenhalt.
Eine iranische Rakete hat am Sonntagmorgen ein zweistöckiges Wohnhaus im Norden von Tel Aviv getroffen. Dabei wurden nach Angaben von Rettern vor Ort eine Person mittelschwer und 23 weitere Personen leicht verletzt. Die Einsatzkräfte sprechen von einem Wunder. Stunden nach dem Einschlag geht die Suche nach möglicherweise weiteren Verletzten, eingeschlossenen Personen und Haustieren weiter. Tel Avivs Bürgermeister Ron Huldai und Präsident Isaac Herzog machen sich ein Bild vor Ort.
Fotos, Kinderzeichnungen und Schulaufsätze liegen durcheinandergewirbelt auf dem Plattenweg zwischen den Häusern. Weit über die Einschlagstelle hat die Wucht der Explosion Wände abgerissen, Fensterscheiben splittern lassen. Rettungskräfte haben begonnen, mit schwerem Gerät die Trümmerteile zu räumen.
“Unser Glück ist, dass die Häuser mit Schutzräumen ausgestattet waren und alle den Sicherheitsanweisungen folgend die Schutzräume auch aufgesucht haben”, sagt Chaim Biton, Armeekommandant einer Rettungs- und Bergungseinheit, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Das heißt, wir haben hohen Sachschaden, aber zum Glück keine Opfer oder mehr Verletzte.”
“Es ist ein Wunder, einfach ein Wunder”, sagt Arieh Levi von der Rettungsorganisation “Retter ohne Grenzen”. Zwei Gebäude sind komplett in sich zusammengesackt. Ein benachbartes Altenheim wurde laut dem Retter vor zwei Tagen evakuiert.
Der Angriff auf ein ziviles Wohngebiet folge einem “Muster, das wir immer wieder beobachten, wenn iranische Raketen hier in Israel einschlagen”, sagt Polizeisprecher Dean Elsdunne der KNA. Der Einschlag, weitere Treffer von Sonntagmorgen und aus den vergangenen Tagen seien “die Szenen, mit denen die Polizeibeamten ständig konfrontiert sind”. Auch er spricht angesichts des Ausmaßes der Schäden von einem Wunder.
“Dies sind die Häuser von Menschen. Sie haben ihre Kinder gestern Abend schlafen gelegt, sind heute Morgen aufgewacht und mussten alle in ihre Luftschutzbunker bringen. Ihre Gehorsamkeit und Kooperationsbereitschaft, ihre Disziplin und das Befolgen der Anweisungen haben zweifellos Leben gerettet.”
Zu denen, die den Angriffsmorgen körperlich unbeschadet im Schutzraum überstanden haben, gehört Schevi. “Ich habe den Holocaust überlebt, ich habe vor gar nichts Angst”, sagt die 84-Jährige, geboren “in den Wäldern Russlands”. Anders als viele der rund 160 Bewohner in dem Schadensgebiet, die in Hotels untergebracht wurden, ist sie bei ihren Enkelkindern untergekommen. Sie möchte zurück in ihre Wohnung, den Schaden begutachten, vor allem aber Medikamente und Kleidung holen. Sie müsse sich gedulden, entschuldigt sich ein Soldat an der Absperrung. Zu groß sei gegenwärtig die Gefahr von herabfallenden Trümmern oder einstürzenden Wänden.
Immer wieder versuchen Bewohner, durch eine der zahlreichen Absperrungen an die Einschlagstelle zu kommen. Sie wollen retten, was die Explosion überstanden hat. Nicht alle können sich ausweisen oder belegen, dass sie wirklich hier wohnen – der Alarm traf sie am frühen Morgen, vielleicht noch im Schlaf. Keine Zeit, mehr als die Kleidung am Leib mitzunehmen.
Auch bei der Presse sorgen die strikten Absperrungen für Unmut. In der prallen Sonne warten Kamerateams und Fotografen, endlich ins Zentrum des Geschehens gelassen zu werden. Wiederholt hatten in den vergangenen Tagen verschärfte Zensuranforderungen der Armee und intransparente Vorgehensweise der Polizei gegen Medienschaffende für Unmut gesorgt.
Ersthelfer veröffentlichten Angaben zu Einschlagsorten in Sozialen Netzwerken, während den Nachrichtensendern Live-Berichterstattung untersagt werde. Auch Diskriminierung ausländischer Teams und eine Bevorzugung regierungsnaher Medien wie dem rechten “Kanal 14” wurden beklagt.
Israel ist sich der Macht bewusst, die von den Bildern zerstörter Wohnhäuser ausgeht. Gegen den Widerstand der Einsatzteams setzt der Sprecher den Zugang für Journalisten durch. “Ich möchte Sie daran erinnern, dass es sich hierbei nicht um besonders gesicherte Bauten handelt”, sagt Elsdunne. Die Notsituation mache die Menschen hier jedoch nur stärker: “Das israelische Volk ist ein geeintes Volk, wir sind widerstandsfähig und wir werden weiterhin alles für einander tun. Wir wissen genau, warum wir jetzt zusammenhalten.”