Sonne, Mond und Sterne – seit Urzeiten ranken sich die Phantasien der Menschen um sie. Der Mond als räumlich nächstes Himmelsobjekt lag dabei früh im Blickfeld der Betrachtung – als Geheimnis, verehrte Gottheit und Forschungsobjekt.
Und das von Anfang an. In der Genesis, dem ersten Buch Mose, wird im ersten Kapitel die Werdung der Welt beschrieben: Gott schuf Licht und Finsternis, Land und Meer, Gras, Kraut und Bäume, Sonne, Mond und Sterne. Dann den Menschen als Krone der Schöpfung.
Gott machte zwei große Lichter – Sonne und Mond
Ein poetischer Text, mythologisch gefärbt. Aber er entmythologisiert auch: Geschrieben um 600 v. Chr. in der Zeit des babylonischen Exils, hat diese Sichtweise eine aufklärerische Funktion. Die Babylonier verehrten Sonne, Mond und Sterne als Götter – die Hebräer betonten: Gott hat sie gemacht.
Über Jahrtausende hinweg war der Mond ein Rätsel. Der griechische Dichter Aischylos (gest. 456 v. Chr.) sah in ihm „das Auge der Nacht“. In der Götterwelt der Griechen war Artemis die Göttin des Waldes und der Jagd sowie die Personifikation des Mondes. Bei den Römern wurde aus Artemis Diana, begleitet von den Amazonen, Kriegerinnen und Jägerinnen.
In fast jeder Kultur wurde der Mond mit einer Gottheit in Verbindung gebracht. Im Hinduismus heißt er Soma, bei den Azteken Coyolxauhqui und bei den Inuit Anningan. Siddharta, der Begründer des Buddhismus, soll bei Vollmond die Erleuchtung erlangt haben.
Die Menschen früherer Zeiten waren überzeugt, dass die Mondphasen die Abläufe des Lebens beeinflussen. Zum Beispiel Empfängnis und Geburt, aber auch die Fruchtbarkeit von Feldern und Viehherden. Sie hatten eine Ahnung davon, dass das Leben auf der Erde eng mit dem Mond verbunden ist.
Und tatsächlich: Ohne den Mond wäre auf der Erde wohl kein Leben. Nur durch das Wechselspiel der beiden Himmelskörper konnten die lebensfreundlichen klimatischen Bedingungen auf der Erde entstehen. Der Mond hat mit seiner Gravitation die besondere Neigung der Erdachse stabilisiert und so das Wechselspiel der Jahreszeiten erst möglich gemacht. Und wer einmal bei Ebbe durch eine Wattlandschaft gewandert ist, kann nachvollziehen, wie wichtig die Gezeiten für die Ausdehnung der Fauna von den Ozeanen auf das Festland waren.
In der Frühzeit Israels wurde das Erscheinen des Neumondes kultisch gefeiert. Vermutlich kam der Mondkult über Aramäer nach Israel, die in der assyrischen Verwaltung arbeiteten. Im Alten Testament finden sich jedenfalls zahlreiche Passagen, die sich gegen die Mondverehrung richten: In den Psalmen wird der Mond mehrmals gemeinsam mit der Sonne als Garant für Beständigkeit genannt (Psalm 72, 5; 89, 37 f.). In Jeremia 31, 35 wird die Beständigkeit von Sonne und Mond sogar als Bild für den Bestand des Bundes Gottes mit seinem Volk Israel angeführt. Dabei werden sie jedoch ausdrücklich als von Israels Gott Jahwe eingesetzte und beauftragte Himmelskörper herausgestellt. Die Polemik legt den Schluss nahe, dass der Mond in der Bevölkerung noch verehrt wurde.
Wie mächtig der Mondkult im alten Israel war, zeigen auch die eindringlichen Verbote des Astralkultes im Gesetzeswerk im 5. Buch Mose. Die scharfen Verurteilungen sind häufig mit drastischen Strafandrohungen bis hin zur Todesstrafe verbunden. Begründet wird die mit dem Bruch des Bundes mit Gott (5. Mose 17, 2-59). Das als „Auferstehung“ des Mondgottes gedeutete Wiedererscheinen der Mondsichel am dritten Tag bildet auch die Grundlage für die prophetische Verheißung der Auferweckung Israels durch Jahwe am dritten Tag (Hosea 6, 2). Jesu Auferstehung am dritten Tag korrespondiert damit.
Warum spielt der Mond in den Mythen fast aller Kulturen so eine Rolle? Der Mond erscheint am Himmel als ebenso groß wie die Sonne – vollführt aber im Gegensatz zu ihr recht eigentümliche Bewegungen. Er taucht auf und verschwindet, scheint am Abendhimmel, dann am frühen Morgen, manchmal fast unbemerkt und dann wieder voller Kraft. Dazu ändert er in festem Rhythmus seine Gestalt – von der Sichel bis zum Vollmond und wieder zurück.
Der Mond wandert in etwa 29 Tagen durch die Tierkreiszeichen – wozu die Sonne ein Jahr benötigt. Seine Phasen machten ihn zum idealen Himmelszeiger für das Fortschreiten der Zeit und somit zur idealen Grundlage für die Erstellung eines Kalenders. Die Mondphasen ermöglichten die Einteilung der Tage in Wochen und Monate.
Etwa mit Beginn des 6. Jahrhunderts vor Christus verdrängte der Forscherdrang die mythologische Deutung der Himmelserscheinungen. Philosophen suchten nach natürlichen Gesetzmäßigkeiten in den Himmelsbewegungen. Thales von Milet analysierte als Erster richtig, „dass die Sonne durch den Mond verfinstert wird, indem dieser unter die Sonne tritt“. Von ihm stammt außerdem der Satz, dass „der Mond von der Sonne beleuchtet wird“. In der Zeit vor ihm wurde der Mond als feurig leuchtender Körper gesehen.
In vielen antiken Kulturen wurde der Mond nicht nur verehrt, sondern auch systematisch beobachtet. Vielerorts war dies der Beginn der astronomischen Wissenschaft – begleitet vom Bau astronomischer Observatorien, die mehr waren als bloße Kultstätten. Durch die richtige Deutung der Himmelsereignisse wurden Rückschlüsse auf den Beginn der Jahreszeiten sowie Saat und Ernte gezogen.
Der Mond als Grundlage für den Kalender
Auch im mitteleuropäischen Raum waren Astralkulte verbreitet, davon zeugt die Himmelsscheibe von Nebra (1600 v. Chr.). Schon davor hatten die Menschen der Stein- und Bronzezeit die Bewegung der Himmelskörper beobachtet. Das berühmteste Bauwerk der Megalith-Kultur ist Stonehenge in Südengland, um 3000 v. Chr. erbaut: In mehreren konzentrischen Steinkreisen sind die Steine nach den Positionen der Sonnenwende und Tagundnachtgleiche angeordnet; so, dass die Sonne am Morgen des Mittsommertags in gerader Linie ins Innere des Bauwerks scheint. Damit konnten die Sommer- und Wintersonnenwende und die Frühlings- und Herbst-Tagundnachtgleiche vorhergesagt werden. Mit einem der Steinkreise konnte außerdem der 18,6 Jahre dauernde Mondfinsterniszyklus berechnet werden, eine weitere Maßeinheit für die damaligen Menschen.
Die Wissenschaft hat den Mond entzaubert. Doch in den esoterischen Strömungen des 21. Jahrhunderts erfährt der Mond eine Auferstehung. Astralkulte liegen im Trend, auch die Mond-Esoterik erlebt einen Aufschwung. Mondkalender erklären die biologisch-dynamische Landwirtschaft.
Für Bibelleser bleibt jedoch klar: Gott hat den Mond gemacht. Ein kleines Licht. Für die Nacht.