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Gottes Eingreifen

Nach dem Tod Jesu von Nazareth war die Jesusbewegung am Ende. Doch dann trat eine Wende ein: Gott hat Jesus auferweckt. Wie die Auferstehung geschah, darüber schweigt die Bibel

Eigentlich war die Jesusbewegung erledigt. Mit dem Kreuzestod war der messianische Traum endgültig ausgeträumt. 5. Mose 21,23 wurde so ausgelegt, dass ein Gekreuzigter von Gott verflucht ist, also nicht der Messias sein kann (Galater 3,13). Jesus war widerlegt. Das Trauma konnte nicht größer sein, und dies berichten die Evangelien auch ganz realistisch. Die Jünger liefen davon und kehrten in ihre Berufe zurück.
Manche Theologen glauben, dass sich die Jünger in dieser depressiven Phase die Auferweckung eingebildet haben, ihre Psyche also täuschend echte Visionen erzeugt hat, weil sie Jesu Tod nicht ausgehalten haben. Doch hier muss man fragen, ob sich Menschen wirklich aus einem solch depressiven Loch aus eigener Kraft herausziehen können – und dann auch noch als begeisterte Zeugen und Zeuginnen der Auferweckung auftreten?

Der Auferstandene stiftet Verwirrung

Was wir aus den Ostererzählungen der Evangelien schließen können, ist, dass Gott den verstörten und zweifelnden Jüngern die Auferstehung Jesu auf die Art gewiss machte, die sie benötigten, um gewiss zu werden. Paulus und die Evangelien jedenfalls betonen, dass Jesus den Menschen erschienen ist – im griechischen Text steht so viel wie „er ließ sich sehen“ –, also von außen her, überraschend, oft eher Verwirrung stiftend als beglückend. Die Jüngerinnen und Jünger sollten erkennen und wissen: Der, mit dem wir drei Jahre umhergezogen sind, der auf so eindrucksvolle Weise Gottes Liebe verkündigte und sie Wirklichkeit werden ließ, ist in Kreuz und Tod nicht erledigt. Gott stellt sich zu ihm. Der Theologe Eberhard Jüngel verwendet hierfür den Ausdruck: Gott „identifiziert“ sich mit dem toten Jesus von Nazareth.
Das älteste Zeugnis von der Auferstehung Jesu, das wir im Neuen Testament kennen, ist eine Überlieferung, die Paulus in einem seiner Briefe zitiert (1. Korinther 15,3-5). Darin ist von „Auferweckung“ die Rede. Das Sinnbild „Auferweckung“ macht stärker als die Rede von der „Auferstehung“ deutlich, dass es allein Gott ist, der hier etwas bewirken kann. Er ist derjenige, der handelt. Indem er Jesus „auferweckt“, beglaubigt er ihn als Christus.
Berichte, wie die Auferstehung vor sich ging, gibt es im Neuen Testament nicht. Die Auferweckung selbst ist nicht als historisches Ereignis überliefert. Allerdings erzählen die neutestamentlichen Schriften von überwältigenden Erfahrungen mit dem auferstandenen Jesus.
Zur Glaubwürdigkeit dieser Berichte trägt bei, dass Jesus nicht von Menschen gesehen wird, die ohnehin schon glauben, sondern von denen, die sich von ihm abgewandt hatten. Ohne die Begegnung mit dem Auferstandenen hätten sie sicher keine Gemeinde gegründet. Jesus begegnet auch Menschen, die seine ungläubigen Feinde waren, wie etwa Paulus. Sie begegnen Jesus nicht, weil sie glauben, sondern sie glauben, weil er ihnen begegnet.

Ganz unterschiedliche Menschen als Zeugen

Dass die Auferstehungsberichte authentisch sind, setzt sich in der theologischen Forschung mehr und mehr durch. Der Münchner Theologe Wolfhart Pannenberg verweist darauf, dass die Erscheinungen „in ähnlicher Form an ganz unterschiedlichen Orten zu unterschiedlicher Zeit“ passierten. Damit weist Pannenberg die Behauptung zurück, die Jünger hätten sich alles nur eingebildet: Dahinter steckt die reale Erfahrung des auferweckten Jesus.
Das wird inzwischen auch von Textforschern bestätigt. Der Neutestamentler Gerd Theißen sieht im Kreuz Jesu eine der unbestreitbar sichersten Tatsachen. Zu den Fakten gehört für ihn auch, dass Jesus nach seinem Tode seinen Jüngern erschienen ist. „Die Erscheinungen Jesu sind gut bezeugt“, sagt Theißen.
Greifbar ist also sozusagen der historische Rand der Auferweckung Jesu. Es bleibt allerdings ein Geheimnis, auf welche Weise Gott den Jüngerinnen und Jüngern mit voller Gewissheit deutlich machte, dass Jesu Leben, Leiden und Tod keine Niederlage waren, sondern Teil des Heilsgeschehens.
Gott hat Jesus von Nazareth nicht einem schmachvollen Tod überlassen und ihn damit dem Scheitern preisgegeben, Gott hat Jesus als seinen Offenbarungsträger ausgewiesen. Für die ersten Christen musste dieses Handeln Gottes mit einer Gewissheit einhergehen, die unumstößlich war.

Gott geht einen anderen Weg der Offenbarung

Würden uns heute die Erscheinungen Jesu, wie sie in den Evangelien erzählt werden, etwas nützen? Niemand von uns hat Jesus je von Angesicht gesehen. Gott ging von der zweiten Generation der Christen an einen anderen Weg der Offenbarung – es ist das weitererzählte Zeugnis von Jesus von Nazareth, der trotz Leiden und Tod nicht ein gescheiterter Mensch, sondern Gottes Offenbarung in der Welt ist.
Wer dieses Zeugnis hört und von ihm berührt ist, der wird angerührt von der Gewissheit stiftenden Kraft des Heiligen Geistes. Durch alle Zeiten werden Menschen von dieser Botschaft berührt. Dietrich Bonhoeffer bekannte in der Stunde seiner Hinrichtung: „Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens“. Der spätere Studentenführer Rudi Dutschke notierte an Ostern 1963 in seinem Tagebuch: „Jesus ist auferstanden, Freude und Dankbarkeit sind die Begleiter dieses Tages; die Revolution, die entscheidende Revolution der Weltgeschichte ist geschehen, die Revolution der Welt durch die alles überwindende Liebe.“ Der Liedermacher Wolf Biermann war – schon zu DDR-Zeiten – überzeugt: „Die Auferstehung ist die härteste Währung auf dem Markt, wo Hoffnungen gehandelt werden.“
Und der Heidelberger Neutestamentler Klaus Berger sagt: „Es geht um die Begegnung mit dem lebendigen Jesus. In Ostern ist uns die Wirklichkeit Gottes auf den Leib gerückt.“