Ein Erbe kann auch dann noch vor Gericht um einen Nachlass streiten, wenn er oder sie diesen Nachlass zuvor aufgrund eines Irrtums ausgeschlagen hat. Die Ausschlagung des Erbes sei unter Umständen anfechtbar, selbst wenn sich der Erbe im Vorfeld nicht mit allen möglichen Quellen über den Nachlass informiert hat. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) laut Mitteilung am Montag im Falle einer Tochter und dem Nachlass ihrer verstorbenen Mutter entschieden.
Grundsätzlich sei ein Erbe, bevor er einen Nachlass ausschlägt, nicht dazu verpflichtet, sich über den Nachlass zu informieren. Wird der Nachlass lediglich aufgrund von Spekulationen ausgeschlagen, könne diese Entscheidung später jedoch „mangels Irrtums über Tatsachen“ nicht angefochten werden.
Das Anfechten einer Ausschlagung ist aber dann möglich, wenn der Erbe sich zuvor zwar über den Nachlass informiert, diese Informationen aber falsch bewertet habe. Dieser Irrtum müsse ein Grund für das Ausschlagen des Erbes gewesen sei, damit die Ausschlagungserklärung angefechtet werden kann.
Im verhandelten Fall sei die Tochter laut OLG fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der Nachlass der Mutter überschuldet sei. Sie habe das Erbe deshalb ausgeschlagen. Monate später habe sie ihre Erklärung zur Ausschlagung des Erbes allerdings angefochten. Die Tochter wollte nun einen Erbschein als Alleinerbin, so das OLG.
Mutter und Tochter hätten seit dem elften Lebensjahr des Kindes keinen Kontakt mehr gehabt, auch sei die Tochter aufgrund der Alkoholkrankheit ihrer Mutter nicht bei ihr aufgewachsen. Die Kriminalbeamtin, die die Tochter über den Tod deren Mutter informierte, habe berichtet, dass die Wohnung der Verstorbenen im Bahnhofsviertel in einem chaotischen Zustand gewesen sei.
Die Tochter habe deshalb ohne Besichtigung der Wohnung angenommen, dass die Mutter „abgerutscht sei und im sozialen Brennpunkt gelebt haben müsse“, so das OLG. Tatsächlich verfügte die Verstorbene aber über Konto-Guthaben im oberen fünfstelligen Bereich. Das Nachlassgericht hatte aber zunächst entschieden, dass das Anfechten der Erbausschlagung unwirksam sei. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte jetzt vor dem OLG Erfolg, die Tochter habe die Erbschaft demnach angenommen.
Ausschlaggebend hierbei sei die persönliche Anhörung der Tochter gewesen. So sei der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Erbe aufgrund eines Irrtums und nicht aufgrund von Spekulationen ausgeschlagen worden sei. Von den Konto-Guthaben etwa habe sie nichts gewusst.