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Gepanzerte Putzkolonne

Er gehört zur Putzkolonne in Tümpeln und Seen: Der Einzeller Coleps ernährt sich zu großen Teilen von abgestorbenen Lebewesen. Hervorstechender ist allerdings der eigentümliche Kalkpanzer des tonnenförmigen Wimpertierchens. Für 2025 hat die Gesellschaft für Eukaryotische Mikrobiologie Coleps zum „Einzeller des Jahres“ ausgerufen.

Bakterien, Pflanzenreste, Biomüll – all das landet über eine Art Trichter-Mund im Inneren von Coleps und wird verdaut. Dabei beherrscht der 40 bis 80 Mikrometer kleine Einzeller die Kunst, aufgenommene Stoffe unter anderem in einen Schutzpanzer aus Kalziumkarbonat zu verwandeln. Biomineralisation nennt das die Wissenschaft – und ein Forschungs-Hotspot dazu befindet sich an der Universität Stuttgart.

Marie-Louise Lemloh, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni, schaut Coleps gerne bei der Arbeit zu: Wenn sich die Zelle geteilt hat, dauert es rund zwei Stunden, bis sich neue Panzerplatten gebildet haben. Unter dem Lichtmikroskop und dem Elektronenmikroskop verfolgen die Experten genau, was sich in dieser Zeit im Detail ereignet. Zudem wird gemessen, wo sich innerhalb der Zelle wie viel Calcium befindet.

Lemloh ist fasziniert vom Leistungsvermögen des Einzellers. Während Menschen im Labor hohe Temperaturen und hohen Druck bräuchten, um Keramik dieser Art herzustellen, produziere das Tonnentierchen seinen Panzer in einer ganz normalen Umgebung, erläutert sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Forschungsteam hofft, hier von der Natur lernen zu können und Verfahren zu finden, die sich für die Entwicklung neuer Materialien einsetzen lassen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Lemlohs Kollegin Matea Urbanek, die zu Baustoffen forscht. Sie arbeitet daran, mithilfe des „Einzellers des Jahres“ Ausgangsmaterial zur Beschichtung von Gebäuden zu finden, die unter Denkmalschutz stehen.

Bekannt ist Coleps der Biologie schon seit über 300 Jahren. Der niederländische Forscher Antonie van Leeuwenhoek (1632 – 1723) hatte ein leidenschaftliches Interesse an der Welt der Kleinstlebewesen in Pfützen, Teichen und im menschlichen Körper. Mit selbstgebauten Mikroskopen identifizierte er humane Zellen – etwa rote Blutkörperchen oder Spermazellen -, aber auch das Panzer-Wimpertierchen in trüben Gewässern.

An sich erscheint Coleps eher farblos. Bunte Sprengsel bilden sich, wenn der Einzeller bestimmte Stoffe verdaut – dann schimmert er vor allem orange-rot. Und wenn sich an einem Stückchen Aas gleich eine ganze Kolonne labt, können kleine Flecken entstehen. Das passiert auch bei einigen Arten, wenn sie eine Symbiose mit Grünalgen eingehen – dann kommt Farbe ins graue Einzeller-Allerlei.

Die Gattung gilt nicht nur als Aasfresser, sondern auch als Räuber. Denn sie kann ebenso lebende Bakterien und Algen verspeisen. Für das ökologische Gleichgewicht in Gewässern ist Coleps deshalb von besonderer Bedeutung – der Einzeller putzt nicht nur durch, sondern hindert auch andere Mini-Organismen daran, überhandzunehmen und ein Ökosystem zu überwuchern. Dabei ist es von Vorteil, dass das Tonnentierchen zu den Pionieren zählt, wenn irgendwo ein neuer Tümpel entsteht. So reguliert es von Anfang an mit. (0090/16.01.2025)