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Geograf Paul Richardson will die Welt anders denken

Der Wissenschaftler Paul Richardson hinterfragt die gängige Sicht auf die Welt und zeigt, warum eine neue Denkweise für eine bessere Zukunft dringend nötig ist. Dabei zerstört er die “Mythen der Geografie”.

Wer im Mittelalter bei der Erstellung einer Landkarte nicht weiter wusste, schrieb resigniert: “Hic sunt dragones” – “Hier gibt es Drachen.” Heute wissen wir mehr oder glauben zumindest, mehr zu wissen, wie der englische Geografie-Professor Paul Richardson in seinem neuen Buch “Mythen der Geografie. Acht Irrtümer über die Welt, in der wir leben” erklärt. Richardson, der an der Universität Birmingham lehrt, will mit seinem Buch die Leser anregen, die Welt neu zu denken.

“Glühende Überzeugungen wie, dass die Erde eine Scheibe ist, am Rand der Welt Ungeheuer hausen oder Könige von Göttern abstammen, haben heute einem ähnlich leidenschaftlichen Glauben an Kontinente, Grenzen, Nationen, Souveränität und Wirtschaftswachstum Platz gemacht”, stellt Richardson fest.

In acht Kapiteln stellt er diese “Mythen der Geografie” in Frage. “Sie bilden die Welt nicht so ab, wie sie tatsächlich ist, sondern lediglich eine Vorstellung von ihr”, meint der Geograf. Sie ermöglichen nach seiner Ansicht, der Welt, wie wir sie kennen, Struktur zu verleihen und im Chaos unserer Zeit Ordnung zu schaffen.

Was genau meint er damit? Er lehnt beispielsweise die Vorstellung ab, dass Grenzmauern zur Abschottung die Welt sicherer machten. Er verweist dabei auf die Mauer, die US-Präsident Donald Trump während seiner ersten Amtszeit an der Grenze zu Mexiko hat bauen lassen, die Chinesische Mauer oder den Hadrianswall, den die Römer im Norden Englands errichteten. In allen Fällen seien diese Mauern Orte der Begegnung geworden. Was die historischen Grenzmauern wie den Hadrianswall oder die Chinesische Mauer anginge, hätten sie sogar einen Kulturaustausch ermöglicht.

Mit Mauern will man, so die landläufige Vorstellung, das eigene Land, die Nation, schützen. Aber auch diesen Begriff der Nation stellt der Wissenschaftler auf den Prüfstand. Die Menschen glaubten, die eigene Nation sei uralt und natürlich gewachsen. Falsch, sagt der Geograf. “Moderne Nationen sind ein Kaleidoskop vergangener und gegenwärtiger Migration, das Ergebnis von Konflikten, Kolonisierung und der Vermischung von Kulturen.” Moderne Nationen müssten sich daher ständig selbst neu erfinden und interpretieren, so Richardson.

Der Geograf Richardson konstatiert also, dass die traditionellen Vorstellungen von Raum, Nationen und Grenzen zunehmend unbrauchbar werden angesichts globaler Herausforderungen wie Umweltkrisen und geopolitischer Konflikte. Aber wie wird eine gemeinsame, bessere Zukunft für die Menschheit möglich?

Zunächst einmal, indem wir uns von dem Weltbild des Geodeterminismus lösen, das besagt, dass Klima und geografische Gegebenheiten maßgeblich die Intelligenz, Kultur und gesellschaftliche Entwicklung von Menschen beeinflussen, meint der Autor. Richardson plädiert für eine neue Art des Denkens über Zugehörigkeit, die über Nationalstaaten hinausgeht und stattdessen auf Vernetzung, kultureller Vielfalt und einem tieferen Verständnis unserer Verbindung zur Erde basiert.