Predigttext
14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, 15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, 16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17 dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. 18 So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. 20 Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21 dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Es war ein schöner Frühsommertag und wollte gar nicht zu dem Gespräch passen, das ich führte. Ich war bei einem Mann, nennen wir ihn Peter, zu Hause, der erst vor Kurzem seine Frau verloren hatte. Wir schwiegen, wir lachten über gemeinsame Geschichten und gemeinsame Zeiten, es gab Tränen – und dann sagte er: „Beten Sie für mich. Ich kann es nicht mehr.“
Ganz anders hatte es sich Monate vorher dargestellt, Peter war eine wichtige Stütze unserer Gemeindearbeit und kein größeres Ereignis war ohne ihn vorstellbar. Für den Gottesdienst hat er sich als Lektor ausbilden lassen und übernahm selbstverständlich auch Gebete. Aus den Kreisen wurde immer wieder erzählt, wie wichtig das Gespräch mit ihm sei, weil er so vieles an Glaubensstärke und Glaubensgewissheit geben konnte – fröhlich und auf eine unaufdringliche Art fromm.
Beten Sie für mich. Ich kann es nicht mehr.
Und dann kam dieser Schicksalsschlag: Auf der Arbeit erfuhr Peter, dass seine Frau einen Herzinfarkt erlitten hatte. Nach zwei Tagen voller Hoffen und Bangen und vieler Gebete starb seine Frau im Alter von 32 Jahren.
„Beten Sie für mich. Ich kann es nicht mehr.“
Nach einer Weile fragte ich ihn, ob er am nächsten Sonntag in die Kirche käme und ob es ihm recht sei, wenn wir dort in der Gemeinde für ihn beten. Er reagierte zurückhaltend, wollte es sich aber überlegen.
Am nächsten Sonntag kam Peter und setzte sich alleine in eine der hinteren Reihen. Zwei Freunde setzten sich zu ihm und nahmen ihn in die Mitte. Als die Fürbitten kamen, legte einer ihm die Hand auf die Schulter. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Wir brachten dann als Gemeinde im Gebet seinen Schmerz vor Gott und baten um Beistand und Trost.
Für Peter war nicht auf einmal alles besser. Aber er meinte, dass dieses Gebet ein guter Schritt zurück für ihn gewesen sei. Er sei froh gewesen, dass andere Worte vor Gott für ihn gefunden haben. Vielleicht hat er sich nicht in allem wiederfinden können, aber es hat ihm gut getan, dass die Gemeinde für ihn betete.
Später ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass das der Grund ist, warum wir für unseren Glauben auch die Gemeinschaft brauchen: Wenn uns die Worte fehlen, dürfen sie andere sprechen. Wenn wir nicht weiter wissen, können andere für uns bitten. Wenn uns der Glaube fehlt, beten andere für uns. Und das lässt sich auch umdrehen: Wenn es uns gut geht, können wir andere in den Blick nehmen. Wenn wir für andere beten, können wir andere trösten.
Vielleicht steckt das zutiefst hinter dem Tun in unserem Text: dieses Beugen der Knie und das Falten der Hände für die Bitte um und für den anderen. Es ist eine der schönsten Gaben, die uns als Christen und als Gemeinde anvertraut ist.
Persönliche Fürbitte im Gottesdienst tut gut
Vielleicht mag diese kleine Geschichte Anlass sein, über die Praxis in unseren Gemeinden nachzudenken. Ich weiß, es gibt viele verschiedene gute Formen. Das persönliche Gebet, die persönliche Bitte für einen Menschen im Gottesdienst ist unter Umständen neu. Aber ich habe es immer wieder als bereichernd und stark erlebt. Vielleicht ist der Beginn mit einer Stille, in der wir die Namen vor Gott bringen, ein Anfang, dort wo es nicht so üblich ist. Vielleicht gibt es einen kleinen Kreis vor dem Gottesdienst, der sich austauscht, wo eine Fürbitte notwendig ist. Ich fände es wichtig. Vor allem wenn uns jemand sagt: „Beten Sie für mich. Ich kann es nicht mehr.“