Artikel teilen:

Gedenkstätte hat Interview-Sammlung von Loretta Walz übernommen

Die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück hat 207 Interviews der Filmemacherin Loretta Walz mit Überlebenden von NS-Frauen-Konzentrationslagern erhalten. Die einzigartige Sammlung mit mehr als 800 Stunden Filmmaterial, rund 800 Fotos und zahlreichen Schriftdokumenten befinde sich nun vollständig und digital aufbereitet in der Gedenkstätte, hieß es zur Vorstellung der Sammlung am Mittwoch in Potsdam. Dort stehe sie nun für die pädagogische Vermittlung und die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung.

Gedenkstättenleiterin Andrea Genest betonte, dass Überlebende der Konzentrationslager eines Tages nicht mehr berichten können, präge die Diskussion über die Vermittlungsarbeit in den KZ-Gedenkstätten schon lange. Mit audiovisuellen Interviews könne ihre Erfahrungsgeschichte bewahrt und als Quelle für zukünftige Fragestellungen und Forschungen gesichert werden. Die Sammlung umfasse Interviews mit Überlebenden der frühen Frauen-Konzentrationslager Moringen und Lichtenburg und des KZ Ravensbrück, hieß es.

Walz sagte, Ausgangspunkt der zwischen 1982 und 2012 zunächst in der Bundesrepublik und in Westeuropa geführten Interviews sei eine Begegnung mit einer Häftlingsfrau gewesen. Diese habe sie dann mit anderen ehemaligen Häftlingen bekannt gemacht, die in der westdeutschen Lagergemeinschaft Ravensbrück zusammengeschlossen gewesen seien. Viele von ihnen hätten gesagt, um ihre Erinnerungen zu dokumentieren, bräuchten sie ein Gegenüber.

Die mit dem Grimme-Preis und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Filmemacherin sagte, sie habe dann nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen westeuropäischen Ländern mit ehemaligen Häftlingen gesprochen, darunter in Frankreich, Norwegen, Österreich und Luxemburg. Nach der Grenzöffnung 1989 seien auch Interviews mit Frauen in der DDR, Polen, der Ukraine und weiteren ost- und südosteuropäischen Ländern möglich gewesen.

Genest betonte, die von Loretta Walz „mit großer Sensibilität geführten und mit ausdrucksstarken filmischen Mitteln dokumentierten Interviews“ seien für die Gedenkstätte ein „unermesslicher Schatz“. Die biografischen Erzählungen, aber auch die festgehaltenen Blicke und Körperhaltungen der damals bereits betagten und inzwischen verstorbenen KZ-Überlebenden ermöglichten tiefe Einblicke in die jeweils erlebte Lagerrealität.

Unter den Interviewten ist auch die frühere Kabarettistin und Schauspielerin Isa Vermehren (1918-2009), die später katholische Ordensschwester wurde. Sie spricht dort von „horrendem Sadismus“ im Lager und von Szenen „von einer unvorstellbaren Grausamkeit“. Die Widerstandskämpferin Annette Pauporté-Eekman (1921-1997) aus Belgien berichtet, es sei „wie ein Wunder, dass wir noch leben“. Dass andere im KZ gestorben sind, habe bei ihr grundlos etwas „wie ein Schuldgefühl“ ausgelöst.

Walz sagte, die Interviews in verschiedenen Ländern hätten dazu geführt, dass auch unterschiedliche Erinnerungen verschiedener Häftlingsgruppen dokumentiert seien. So sei auch festgehalten, dass eine westdeutsche Kommunistin das Lager anders erlebt habe, als eine von der Straße weg verschleppte Ukrainerin, betonte sie.